20.000 Kilometer unter Strom

Tachostand 20.000 am Windrad
Tachostand 20.000 am Windrad

Etwas mehr als zwei Jahre sind vergangen seit die ZOE im April 2014 zu meinem primären Fahrzeug für geschäftliche und private Aufgaben wurde. Sie hat auf den zurückgelegten 20.000 Kilometern keine Ausfälle gehabt, wir sind niemals liegen geblieben, die Kosten waren äußerst gering und das Fahren macht immer noch Spaß.

Darüber hinaus haben sich persönliche Prioritäten durch die mit der Elektromobilität zusammenhängenden Bedingungen verändert: Da mehr Zeit für eine Strecke benötigt wird und ich die Autobahn öfter gemieden habe, ist das Autofahren für mich entspannter geworden, statt eine mitunter ganz schön stressige Angelegenheit zu sein. Aber das ist sicherlich Ansichtssache.

Ein modernes Segelschiff

Die Windjammer fingen den Wind noch überwiegend mit ihren Rahsegeln ein, heutige Segler nutzen vor allem den Druckunterschied, den die Tragflächenform der modernen Segel erzeugt. Für Jahrtausende stellte neben der Muskelkraft somit der Wind die Energiequelle dar, die den weltweiten Transport und das preiswerte Reisen über weite Strecken möglich machte. Die Umwandlung der Bewegungsenergie in elektrischen Strom war der entscheidende Schritt, um diese Energie speichern und konzentrieren zu können. Nichts anderes machen Windkraftwerke, wenn sie Elektrizität erzeugen und Akkus, die diesen Strom in Ladung umwandeln.

Neben Fahrspaß und Ruhe ist dieser Gedanke mein wesentlicher Grund für die Bevorzugung des elektrischen Antriebs. Ich beziehe daher den Strom aus Energiequellen, die direkt oder indirekt auf die Sonnenstrahlung gründen und Photovoltaik, Wind- und Wasserkraft zur Stromerzeugung nutzen. Energie, die uns ohne unser Zutun umgibt, die quasi unerschöpflich ist und nur technisch „geerntet“, werden muss.

Energie ernten
Energie ernten

Die ZOE hat bisher etwa 3.400 kWh dieser Energie benötigt und mich damit um den halben Erdball gebracht. Bei durchschnittlichen Stromkosten von 30 Cent je Kilowattstunde – inklusive Grundgebühren und ähnlichen Nebenkosten – wären das in der Summe rund €1000, ein Bruchteil dessen, was mich dasselbe mit einem Benzin- oder Dieselmotor gekostet hätte. Dazu kommt, dass der fossile Antrieb eine Ressource verbraucht hätte, die damit unwiederbringlich und für alle Zeiten verloren wäre. Meine Fahrten der letzten zwei Jahre aber hat der Wind und damit die Sonne möglich gemacht.

Alltägliches…

Die ZOE hat sich im Alltag einwandfrei und ohne Einschränkung nutzen lassen. Sommers wie winters reichte die Akkuladung für mehrere Tage aus. Es gab im Alltag keine Situation, in der ich mit einem konventionellen Antrieb einen Vorteil gehabt hätte oder die mit der ZOE nicht zu bewältigen gewesen wäre. Das trifft übrigens auch für Elektroautos anderer Marken zu, mit deren Fahrern ich regelmäßig Kontakt habe.

Wallbox, hier mit 11kW
Wallbox, hier mit 11kW

Geladen wurde die ZOE ganz überwiegend an der Wallbox am Stellplatz des Fahrzeuges. Dies ist für die unkomplizierte Benutzung eines Elektroautos im Alltag die einfachste Vorbedingung. Dabei spielt auch die Ladeleistung und -technik des Fahrzeugs nur eine Nebenrolle, denn um bei der ZOE – und gemäß der Akkukapazität vergleichbaren Fahrzeugen – den Akku nachts zum Beispiel von 30% wieder auf 100% aufzuladen, sind selbst von Haushaltssteckdosen gefahrlos zu liefernde Leistungen von 2.3kW ausreichend. In Anbetracht zukünftiger Akkukapazitäten und um den Aufladevorgang im Fall der Fälle auch schneller abschließen zu können, ist an meinem Stellplatz jedoch eine Wallbox mit 11 kW installiert, die bei der ZOE eine komplette Ladung des Akkus in etwa drei Stunden ermöglicht.

Da Elektromotoren einen sehr hohen Wirkungsgrad haben, also die investierte Energie sehr wirksam und mit nur geringen Verlusten in Bewegungsenergie umwandeln, liegen die Verbrauchswerte aller Elektroautos sehr dicht beieinander. Der Luft- und Rollwiderstand sowie die Drehzahl des Motors und natürlich das Gewicht des Fahrzeuges sind die wesentlichen konstruktiven Faktoren für den Stromverbrauch. Somit kann man recht gut vorhersagen, dass der durchschnittliche Verbrauch vergleichbar großer Fahrzeuge im Alltag etwa bei 15kWh je 100km liegt und auch liegen wird. Das bedeutet natürlich nicht, dass man ein Elektroauto nicht auch mit 12 oder 20 kWh Verbrauch bewegen kann. Ich spreche hier von einem langjährigen realistischen Mittelwert, der sich bei der normalen Benutzung eines Fahrzeuges ergibt.

Daher führte eine nutzbare Akkukapazität von etwa 22kWh bei der ZOE zu einer durchschnittlichen Reichweite von etwa 150km. Damit konnte ich den Alltag der letzten zwei Jahre problemlos und ohne Einschränkungen bewältigen. Selbst im Winter, wo der Verbrauch zusammen mit der Heizung höher und die mögliche Reichweite geringer ist, ergaben sich keine Probleme. Das Auto war komfortabel zu nutzen und auch bei Schnee sicher zu bewegen.

…und Unerwartetes

Unterwegs zu laden, war und ist zugegebener Maßen auch Mitte 2016 noch etwas mit Spannung verbunden – und das in mehrfacher Hinsicht. Rund um den Standort des Fahrzeugs ist das Laden aus den oben genannten Gründen erfahrungsgemäß nur notwendig, wenn die eigene Lademöglichkeit fehlt. Für solche Fahrzeuge ohne festen Stellplatz werden übrigens in Berlin zunehmend öffentliche Ladesäulen mit 11 kW Leistung installiert.

Auf längeren Fahrten jedoch möchte man flott vorankommen, die Akkukapazität möglichst ausschöpfen und schließlich schnell den Akku wieder aufladen, um bald weiterfahren zu können. Die Konstruktion der ZOE mit einem Schnellladeanschluss für Wechselstrom ist diesem Wunsch sehr entgegen gekommen. 22kW bzw. bei meinem Modell sogar noch 43kW Ladeleistung füllen einen leeren Akku in etwa einer bis zu einer halben Stunde, zzgl. etwa 10 bis 15 Minuten, wenn man auf 100% kommen möchte.

Schnelllader in Grevesmühlen
Schnelllader in Grevesmühlen

Außerhalb der Stadt in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern allerdings ist das Angebot an schnelleren Lademöglichkeiten noch immer sehr spärlich, erfordert Planung und ist mit einem gewissen Restrisiko verbunden. So konnte ich auf Fahrten an die Ostsee und zurück in diesem Jahr zwei Schnelllader nutzen, die eine Reisezeit von insgesamt unter sieben Stunden möglich machten. Meine erste Fahrt dorthin mit dem Elektroauto dauerte noch elfeinhalb Stunden. Mit dem fossilen Antrieb sind etwa vier Stunden üblich.

Allerdings hat mich bei einer Fahrt zum Beispiel die Säule in Grevesmühlen im Stich gelassen. Bei der Ankunft war sie ohne Strom und am Samstag niemand zu erreichen, der die Sicherung wieder hätte einschalten können. Auch eine in der Nähe gelegene Ausweichmöglichkeit hatte am Wochenende leider zu. Während ich die ersten Fernfahrten noch mit möglichst geringem Verbrauch und 100% Akkuladung am Start einer Etappe durchgeführt hatte, bin ich inzwischen zu einem anderen Verfahren gelangt: Ich lade nun nur soviel, wie ich auf der nächsten Etappe brauche, und fahre auch mit höherem Verbrauch, sprich höherer Geschwindigkeit. Das lässt sich nach zwei Jahren Praxis ziemlich gut einschätzen und spart natürlich Zeit.

In Grevesmühlen wurde es allerdings nun zu Problem. Strom für 36 Kilometer sagte mir der Bordcomputer noch voraus und bis zur nächsten bekannten Ladesäule in Timmendorfer Strand sind es von dort aus … genau 36 Kilometer. Kurz gesagt, es hat geklappt und ich bin mit 2% Ladung angekommen. Immer noch genug Energie, um 20 Minuten lang Baumwollhemden zu bügeln, aber eben sehr wenig, um elektrisch noch wesentlich weiter zu fahren.

NRGkick am Hotel Maritim in Travemünde
NRGkick am Hotel Maritim in Travemünde

Ich wäre sicherlich nicht liegengeblieben, sondern hätte vorher an einer geeigeneten Stelle (Werkstatt, Bauernhof, Tankstelle, Hotel o. ä.) um Hilfe bitten können.
Die sehr flexible Ladetechnik der ZOE zusammen mit meinem NRGkick – einem auf alle Wechselstromanschlüsse anpassbaren Ladekabel – hätten es problemlos möglich gemacht, den Engpass zu überwinden, bevor es wirklich kritisch wird.

Alltagstauglichkeit – bedingt

Das sind dann aber wohl auch die Situationen, vor denen sich der „normale“ Autofahrer fürchtet und weshalb viele die Elektromobilität ablehnen. Na ja, es ging ja nicht um Leben und Tod. Dennoch kann ich die Befürchtungen natürlich verstehen. Das zeigt jedoch auch, wie wichtig der Ausbau der Ladeinfrastruktur und die Flexibilität der Ladetechnik in den Fahrzeugen gerade zur Zeit und auch in nächster Zukunft noch ist. Die Elektromobilität mit einer geringen Zuzahlung zum Kaufpreis zu fördern, halte ich daher für viel weniger nützlich, als die Infrastruktur zum Laden praxisgerecht, unkompliziert und marktoffen zu gestalten und gesellschaftlich zu fördern – und zwar durch politische Maßnahmen, die sich nicht nur aus den Interessen der deutschen Autoindustrie ableiten.

„Alltagstauglichkeit“ hieße vor allem, für die Fernstrecken zwischen den großen Städten und Ballungsräumen Schnellladesäulen für alle Automodelle bzw. Ladetechniken bereitzustellen – die später natürlich auch Geld verdienen dürfen und sollen. Zwischenzeitlich jedoch, wäre die Existenz von ausreichend Schnellladesäulen an Fernstraßen und eine zunächst kostenlose Stromversorgung ein stärkeres Argument für den Käufer, als €4000 Förderung, um ein gegenüber Vergleichsmodellen €10.000 teureres Fahrzeug zu bewerben, das dann ohne Einschränkung nur in der näheren Umgebung genutzt werden kann.

Drei Geschmacksrichtungen in Neuruppin
Drei Geschmacksrichtungen in Neuruppin

Die meisten wirklich der Elektromobilität als solcher förderlichen Maßnahmen kann man auf der Basis privater Initiativen finden, wie zum Beispiel hier die Schnellladesäule in Neuruppin, die bereits 2015 mit Hilfe vom Autohaus Treskow realisiert wurde.

Sie stellt die einzige dieser Art im Umkreis von mehr als 100 Kilometern dar – das Berliner Stadgebiet einmal ausgenommen – und bietet den Fahrzeugen aller Hersteller die Möglichkeit, in rund einer halben Stunde beinahe voll zu laden.

In Richtung Hamburg allerdings war es das dann aber auch schon: Von Neuruppin aus können aktuell nur Fahrzeuge in vertretbarer Zeit rein elektrisch die Stadt erreichen, die sich mit Wechselstrom schnellladen lassen. Die Ausnahme bilden Tesla Modelle, die allerdings wegen ihrer Reichweite und der an der Autobahn bereits vorhandenen Supercharger hier überhaupt nicht stoppen müssten und mit etwas Glück auch einige wenige Modelle der Japaner, die bereits mit etwas größeren Akkus ausgestattet sind, so wie demnächst auch der BMW i3.

Ausblicke

Aber alles wird gut werden: Spätestens, wenn ich beim Tachostand 40.000 ein Fazit formuliere, wird zum Beispiel die Umsetzung des ganz aktuell vorgestellten Projekts FAST-E unter Koordination der Firma Allego bereits abgeschlossen sein. Darin fördert die EU mit 50% eine 17,5 Millionen Euro Gesamtinvestition für hierzulande immerhin 241 Ladesäulen wie in Neuruppin. Und diese Säulen werden einfach dort aufgestellt, wo sie aufgrund simpler Arithmetik am meisten nutzen.

FAST-E: Europa fördert in Deutschland
FAST-E: Europa fördert in Deutschland

Auch die Säule in Neuruppin ist bereits von FAST-E gefördert, wird von Allego betrieben und ist später dann auch über bereits existierende Bezahlsysteme nutzbar. Das wird helfen, ein für viele bezahlbares Elektroauto nicht nur im Nahbereich, sondern auch für unkomplizierte Fernfahrten einzusetzen. Egal, wer es gebaut hat.

Für die Bundesregierung – und den Markt – bleibt aber diesbezüglich noch genug zu tun: Selbst dieses umfangreiche europäische Projekt wird den in 2020 erwarteten Bedarf in Deutschland nur zu 3% decken! Denn es sollen ja deutlich mehr Autos werden. Hoffen wir mal, dass die deutsche Politik sich nicht weiterhin von einseitigen Interessen der Industrie beeinflussen lässt und nicht noch Hindernisse für die solide Entwicklung der dringend benötigten Ladeinfrastruktur schafft.

Von Förderung will man da kaum reden, wenn man bedenkt, dass der Anteil des von der Bundesregierung geplanten Betrages für die Ladeinfrastruktur bis 2019 gerade mal popelige 300 Millionen Euro betragen wird. Von denen sollen 5000 Ladesäulen realisiert werden, die dann jedoch nur einen kleinen Teil des Bedarfs decken können. Setzt man diesen Betrag in Relation mit anderen, sogar nur kommunalen Projekten wie Konzerthäusern am Bootsanleger, Flughäfen für unsichtbare Flugzeuge oder unterirdische Bahnhöfe mit Gefälle, ja selbst mit einem Fahrradwegenetz in der Hauptstadt, dann erscheint er der wichtigen Aufgabe nicht gerade angemessen.

Mein Vertrauen in die diesbezügliche Kompetenz ist also recht gering. Denn leider wurden bisher von unserer Regierung und den geschaffenen Institutionen schon eine Menge Taler in E-Mobilitäts-Projekten versenkt, bei denen alle Praktiker die Augen rollen, die Haare raufen und den Kopf schütteln, weil man vermutlich die falschen Leute um Rat gefragt hat und außer einer bunten Show nichts wirklich Zielführendes bewirkt hat. Und die Drohung, eine neue Verwaltungsbehörde für Ladeinftrastruktur zu zaubern, dort Geld zu vernichten und eine zügige Entwicklung vielleicht sogar zu bremsen, hängt auch noch über unseren Köpfen…

Was bleibt ist die Hoffnung, dass gute Ideen und Konzepte sich schließlich durchsetzen und die Bedingungen für den Betrieb von Elektroautos sich so verbessern, dass mehr Mitbürger sie problemlos nutzen können. Rückblickend auf meine 20.000 Kilometer und zwei Jahre kann ich aber schon jetzt sagen: Für mich persönlich ist die Entscheidung für das Elektroauto 100% richtig und vorteilhaft gewesen!

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