Pferd und Wagen

Pferd und Wagen – Gespann mit rund 11m Länge und um die 3,6 Tonnen Gewicht.

Das war der Plan: Ein Elektroauto zu vertretbaren Kosten, mit dem ein Wohnwagen über akzeptable Distanz gezogen und dann flott für die nächste Etappe aufgeladen werden kann. Seit wenigen Stunden hängt nun die allseits zwar unbeliebte, aber immerhin inzwischen erhältliche MVG-Anhängerkupplung unter dem IONIQ 5. Morgen wird der Wohnwagen umgestaut, damit die Stützlast stimmt, und dann geht es los: Erstmalig mit E-Antrieb vor dem KNAUS Sport & Fun.

Wohnesel und Elektroschlepper

Dieser etwas spezielle Caravan ist mit sehr variablen Stauflächen und besonders breiten Zugängen ausgestattet, so dass ganz nach Bedarf auch sperrige Sportgeräte, Zweiräder oder wie bei uns ein schwerer Rollstuhl transportiert werden können. Bis zu vier Schlafplätze, Sanitärkabine mit Dusche, Küche und eine 12V-Elektroanlage sind ebenfalls vorhanden. 1.250kg wiegt unser Sport & Fun fahrbereit, mit Gepäck und Vorräten so um die 1.450kg. Wenn auch der Rollstuhl eingeladen ist, werden die 1.600kg Anhängelast des IONIQ 5 erreicht, obwohl der Knaus noch weitere 100kg Zuladung erlaubt.

Auch beim Zugfahrzeug müssen natürlich die maximal zulässigen Gewichte beachtet werden. Inklusive der AHK wiegt das Auto leer (bei 75kg Fahrer*in) nun etwa 2.200kg. Wenn die Deichsel des Wohnwagens mit 50kg auf der AHK lastet, bleiben also nur noch etwa 290kg Zuladung für die Insassen und weiteres Gepäck übrig.

Diese Gewichtsverteilung innerhalb des Gespanns ist günstig, denn für die erlaubten 100 km/h muss das ziehende Fahrzeug laut Zulassung mindestens 1.700kg wiegen. Alles ist also im Rahmen des Erlaubten und sollte passen.

Offene Fragen

Hübscher Zug: Die Gewichtsverteilung stimmt und der lange Radstand mach das Gespann ruhig

Für diese erste Fahrt bin ich jedoch erst einmal allein unterwegs, denn es gibt noch einige unbekannte Faktoren, denen ich lieber zunächst ohne Familienanhang begegne.
Erstens ist noch völlig unklar, wieviel Strom das Auto verbrauchen wird, wenn dahinter eine 2,30m breite und 2,60m hohe Schrankwand hängt. Zwar ist die Front des Sport & Fun recht schräg gestaltet und somit windschnittig, aber dennoch eine Riesenfläche, die der Luft gehörigen Widerstand bietet. Blöderweise habe ich die ersten 150km lang den aktuell stürmischen Wind mit bis zu 60km/h von vorn.
Na super…

Die zweite Frage betrifft die Sicht nach hinten. Werden die Spiegel des IONIQ 5 ausreichen oder muss ich mir noch Aufsteckspiegel besorgen? Und schließlich: Wo werde ich den Anhänger jeweils los, wenn ich zum Laden in die Parkfläche neben der Ladesäule fahren muss.

Versuch macht kluch

Es hilft ja nichts: Grau ist alle Theorie. Also mache ich mich Freitag um 12 Uhr auf den Weg. Der IONIQ 5 zieht das zusätzliche Gewicht natürlich ohne Mühe und beide Fahrzeuge liegen sehr ruhig auf der Straße. Die Breite des Autos ist in Bezug auf den Hänger ausreichend, so dass die Abmessungen im Spiegel gut zu überschauen sind. Die schmalen Straßen auf den ersten Kilometern stellen auch bei Gegenverkehr kein Problem dar. Man sieht immer gut, wo das Rad des Wohnwagens rollt.

Guter Überblick über Fahrzeuge und Verbrauch

Das Foto verrät bei genauer Betrachtung so einiges: Die ersten 25km sind gefahren und der Durchschnittsverbrauch pendelt sich bei über 41kWh ein. Den Berg hoch bei Tempo 80 liegt die Verbrauchsanzeige sogar jenseits der 60kW. Ein Blick auf den Propeller am Horizont zeigt, woher hier der Wind weht. Und leider tut er das so heftig, dass sich das Gespann faktisch mit etwa 130 Sachen durch die Luft schiebt. Während sonst bei 130km/h die Windgeräusche kaum zu hören sind, rauscht es jetzt vom Anhänger her deutlich wahrnehmbar. Dort wird viel Bewegungsenergie in Reibung umgewandelt.

Es war also eine gute Idee, den ersten Ladestopp schon bei IONITY in Buddikate zu planen. Das sind von hier aus noch 100km und bis dahin dürften auch bei moderater Fahrt 50 von 72 kWh aus dem Akku geflossen sein. Später wird sich zeigen, dass mit dem Wind von achtern selbst bei 100km/h Dauergeschwindigkeit etwa 36kWh Verbrauch auf 100km möglich sind. Als Anhaltspunkt jedenfalls ein guter Rat, mit etwa 40kWh Verbrauch zu rechnen, wenn ein Wohnwagen am IONIQ 5 hängt.

Das zeigt ebenfalls, dass es kaum Sinn macht, ohne schnelle Ladetechnik und große Akkus ersthaft über den Caravanbetrieb mit dem Elektroauto nachzudenken. Die möglichen Etappen von maximal 130km (mit 52kWh Strom für die Strecke) dauern etwa eineinhalb Stunden und anschließend muss man eine halbe Stunde für das Laden rechnen (10% auf 90%). Dazu kommt die derzeit noch vorhandene Schwierigkeit, den Anhänger in der Nähe des Ladepunktes abzukuppeln und zu parken, denn die Stellplätze an den Ladesäulen sind in der Regel zu klein für das Gespann.

Haken und Ösen

Als ich auf der Raststätte Buddikate West ankomme ist es zudem brechend voll. Die Leute sind genervt und parken wo immer es geht, denn wir alle standen gerade 30 Minuten im Stau und viele drückt offensichtlich die Blase. Von den vier Ladeplätzen sind zwei schon mal zugeparkt. Und bis ich ein Plätzchen für meinen Anhänger gefunden habe, schwitze ich ganz schön. Dann bleibt nach dem Abkuppeln auch noch das Bremsseil über der Kupplung hängen und nachdem ich auch das Problem behoben habe, muss ich rückwärts durch wild geparkte Wohnmobile und den übrigen Verkehr bis zur Ladesäule zurückstoßen.

Schließlich hängt der IONIQ 5 aber am Kabel und lädt. Es gibt noch ein paar etwas unfreundliche Wortwechsel mit den Verbrennerfahrer*innen, denen ich vorschlage, doch beim nächsten Mal freundlicherweise den Parkplatz an der Zapfsäule auf der Tankstelle zu wählen, wenn sonst alles vollgeparkt ist. Ich glaube aber nicht, dass die Ironie verstanden wurde…

Meine Laune ist auch deshalb nicht die beste, weil ein wesentlicher Nachteil der MVG-Anhängerkupplung die Hektik natürlich noch verstärkt hat: Der IONIQ 5 hat keine Ahnung, dass ein Anhänger hinter dem Fahrzeug hängt, weil die Elektrik der Kupplung nicht mit dem CAN-Bus des Autos kommuniziert. Folglich macht der Assistent für das Einparken beim Rangieren im Rückwärtsgang immer erst einmal eine Notbremsung vor dem vermeintlichen Hindernis. Dann muss man die Bremse durchtreten und kann erst anschließend weiter rückwärts fahren.

Dabei wirkt sich allerdings noch eine weitere Besonderheit des IONIQ 5 aus, mit der ich nicht gerechnet hatte: Der lange Radstand und der kurze hintere Überhang führen zu ungünstigen Hebelverhältnissen, die das Rangieren mit dem Hänger schwieriger machen, als bei kürzeren Fahrzeugen mit längerem Abstand zwischen Hinterachse und Anhängerkupplung. Beim Lenken des Anhängers muss der IONIQ 5 vorne wesentlich weitere Ausschläge machen, als ich das gewohnt bin. Und dafür ist mitunter wegen Bordsteinen und anderen Fahrzeugen zu wenig Platz. Also muss man öfter vorwärts korrigieren und dann wieder rückwärts ansetzen … und NOTBREMSUNG! Da kann man leicht aus der Haut fahren und es sieht für Zuschauer sicherlich aus, als hätte der Fahrer des Gespanns seine Kenntnisse bei Karusselfahrten auf der Kirmes erworben. Peinlich.

Mechanisch einwandfrei, aber ohne Kommunikation mit dem Fahrzeug: Die MVG-Kupplung (exklusiv und zwingend für Deutschland)

Hier muss Hyundai also dringend eine Softwarelösung für die in Deutschland verbauten MVG-Kupplungen zu schaffen, die es ermöglicht, den bei MOBIS-Anhängerkupplungen automatisch aktivierten Trailer-Modus wenigstens manuell einzuschalten. Dieser sorgt zum Beispiel dafür, dass die angezeigte Restreichweite sich der besonderen Situation entsprechend anpasst.

Und dazu gehört für beide Kupplungen natürlich, dass sich im Trailer-Modus, also bei angekuppelten Anhänger oder montiertem Fahrradträger, selbstverständlich die Assistenten und Piepser für das rückwärts Einparken abschalten. Das macht unser über zehn Jahre alter Berlingo bereits von Beginn an. Beim IONIQ 5 gibt es stattdessen schrilles Gepiepe … und NOTBREMSUNG! Ein wirklich lächerliches No Go, Hyundai Deutschland, bei einem sonst nahezu perfekten Auto.

Beim Ankuppeln klappt zum Beispiel alles fantastisch. Schon das Heranfahren des Hakens an die Deichsel gelingt mit Hilfe der Rückkamera so gut wie sonst nie. Beide Teile sind sauber im Blickfeld zu erkennen. Einen Kratzer im Lack würde die Plastiknase der Alko-Deichsel zwar wohl verhindern, aber durch vorsichtiges Lösen der Bremse kann man die Kugel ganz präzise und auf den Zentimeter genau unter die Kupplung rangieren.

Ein Blick zurück: Alles im Lot.

Sehr schön ist auch die Sicht nach hinten während der Fahrt über die Heckkamera. Ist das Bugrad sicher hochgezogen, die Schlingerkupplung geschlossen und die Bremse ordentlich gelöst? Alles klar, der Wohnwagen hängt noch dran…

Wo der Trucker sich wohlfühlt…

…da findet auch ein Caravan-Gespann genug Platz. Schließlich lade ich auf meiner Fahrt noch zwei weitere Mal, und zwar in Wittenburg und in Heiligengrabe. Die erste Ladestation ist eine große ARAL Tankstelle mit Autohof-Charakter. Genug freie Flächen in der Nähe der Ladesäulen, um den Hänger ohne rangieren einfach kurz abzukuppeln. Das dauert nur zwei Minuten, wenn man etwas Routine hat. Nach rund zwanzig Minuten ist der Akku voll für die nächste Etappe.

In Heiligengrabe ist die IONITY Ladestation mit derzeit noch vier Säulen separat hinter dem Autohof angelegt, was das Zuparken sicherlich erfolgreich verhindert, aber wenig Platz zum Rangieren mit dem Anhänger bietet. Hier sollte man besser vorher abkuppeln um andere nicht zu behindern. Leider ist auch die Straße davor nicht gerade breit. Auch hier ist in wenigen Minuten der Akku wieder voll.

Ich nutze die Zeit um mein loses und nun auch beschädigtes Bremskabel wieder am Anhänger zu befestigen, das offensichtlich seit Hamburg hinter dem Auto mitgeschleift wurde. Wie sich herausstellt, ist es wohl etwas zu kurz und da ich es mit seinem Karabiner vermeintlich vorschriftsmäßig an der Öse der Steckdose befestigt und nicht nur in einer Schlinge über die Kupplung geworfen hatte, hat es wohl in engen Kurven langsam den Befestigungsring aufgebogen und ist dann abgefallen. Schöner Mist. (Inzwischen weiß ich, dass die korrekte Öse für den Karabiner bei der MVG-Kupplung rechts etwas versteckt liegt. Damit verbunden passt alles. Wie blöd kann man sein…)

Nicht mehr weit… und mit Wind von schräg hinten auch ein deutlich niedrigerer Verbrauch.

Schließlich komme ich eine halbe Stunde nach Ladenschluss bei meinem Wohnwagenhändler in Neustadt/Dosse an und muss die Nacht daher vor seiner Einfahrt auf der Straße im Gewerbegebiet campen. Dabei zeigt sich dann wieder eine unschlagbar positive Eigenschaft der Kombination aus IONIQ 5 und dem Sport & Fun: Die 12V-Anlage des Wohnwagens für Licht, zum Handyladen und für die Wasserpumpen ermöglicht mir eine angenehme Nacht. Der Herd für eine warme Mahlzeit, die Heizung und der Kühlschrank arbeiten mit Gas. Und am Morgen versorgt der IONIQ 5 mit seinem V2L-Adapter den Knaus mit 230V, so dass ich die Kaffemaschine und den Warmwasserboiler für den Abwasch und das Bad betreiben kann. Das Ganze kostet mich ein Prozent vom SOC des Autos.

Mein Fazit:

Der IONIQ 5 ist mit dem großen Akku und seiner Ladetechnik auch ein sehr brauchbares Zugfahrzeug für einen Wohnwagen. Er zieht die rund eineinhalb Tonnen wie nichts und beschleunigt mühelos. Die Fahrt ist durch den langen Radstand sehr ruhig, Schwerpunkt und Gewicht ideal für den Anhängerbetrieb. Der Knaus liegt auch hinter dem kleineren und leichteren Berlingo wie ein Brett, aber beim IONIQ 5 merkt man den Hänger bei der Fahrt quasi überhaupt nicht.

Beim Rangieren sind der lange Radstand und der kurze Überhang des IONIQ 5 dagegen ungünstig und es Bedarf einiger Gewöhnung bis man diese besondere Geometrie gelernt hat. Man braucht beim Auto vorn ziemlich viel Platz um den Wohnwagen ausreichend zu lenken.

Die Reichweite des IONIQ 5 in Verbindung mit der HPC-Ladetechnik ist ideal, um elektrisch mit dem Caravan im Schlepp reisen zu können. Man sollte mit 40kWh auf 100km rechnen, demzufolge Etappen von 130km planen und muss beim Laden in aller Regel den Anhänger vorher abkuppeln und abstellen. Das macht das Ganze etwas umständlicher als mit dem Verbrenner, das ist klar.

Strom aus dem Auto: Hier zum Laden des E-Bike-Akkus

Völlig begeistert bin ich allerdings von der vollständigen Unabhängigkeit durch das Solardach und die V2L-Stromversorgung. Im Sommer hatte ich im Durchschnitt rund 800Wh täglicher Ausbeute. Damit hätte man die autarke Versorgung des Campers ohne nennenswerte Reduzierung der Akkuladung für die Weiterfahrt realisieren können.

Ich freue mich schon auf das Frühjahr – und schöne Reisen mit dem Gespann durch Europa.

Update Juni 2022: Der ADAC hat mit dem Schwestermodell Kia EV6 und einem Dethleffs Aero 470 Wohnwagen eine 1.300km lange Testfahrt über die Alpen ans Mittelmeer und zurück unternommen und diese sehr schön in einem Youtube Video dokumentiert. Absolut Sehenswert!

6 thoughts on “Pferd und Wagen”

  1. Vielen Dank für den sehr informativen Bericht!
    Wir reisen ebenfalls mit Wohnwagen (Zugfahrzeug Mitsubishi Outlander PHEV). Hätte mir vorstellen können, auf Elekto (z.B. Ionic 5) zu wechseln. Werde ich nun erstmal nicht. 900 km an die Ostsee oder 1.000 km nach Südfrankreich und alle 130 km das Theater mit Wohnwagen abhängen, abstellen und hoffen, dass der Schnelllader noch frei ist… Da bekomme ich Ärger mit der Familie 😀
    Ich wünsche dir gute Fahrt und viel Spaß mit dem sicherlich tollen Auto!
    LG Wolfgang

  2. Vielen Dank für den informativen Bericht. Ich möchte mir auch einen Ioniq5 zulegen. Da das Fahrzeug zu 90% mit Anhänger laufen wird, überlege ich nur das Basismodell mit am wenigsten Assisttenzsystemen zu nehmen. Die hintere Einparkhilfe ist immer dabei. Machen die anderen Assistenzen auch Probleme?

    1. Ich hatte nicht den Eindruck, Jürgen.

      Zunächst war alles abgeschaltet, unterwegs habe ich aber ein wenig damit experimentiert und keine Probleme bemerkt. Der Wohnwagen schattet aber die Radarkeule nach hinten natürlich so stark ab, dass quasi kein Toter-Winkel-Assistent mehr möglich ist.

      Lenkhilfen und Abstandsradar würde ich mit Vorsicht genießen, da die Dynamik des Zuges natürlich eine andere ist. Hyundai empfiehlt ja, sie mit Anhänger nicht zu verwenden.

      Ich kann aber sagen, dass sich beides – mit der üblichen Kontrolle – ganz gut anfühlt. Habe den Abstand weiter eingestellt als solo, damit der Reaktionsweg etwas länger bleibt, und das klappte gut. Beim Lenken gab es eher mal Gewackel, so dass ich weitgehend darauf verzichtet habe.

      Ich hoffe aber sehr auf Softwareupdates. Allerdings ebenfalls auf den Weltfrieden…

      Basismodell: Bitte denke daran, dass erst mit dem 72kWh Akku die Anhängelast auf 1.600kg steigt!

  3. Toller Bericht, vielen Dank! Mein IONIQ ist mangels AHK noch nicht in den Genuss gekommen unseren WoWa zu ziehen, aber bald wird es hoffentlich so wie sein…
    Viele Grüße
    Olli

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