Tapetenwechsel

Aus GTI wird e-Golf
Aus GTI wird e-Golf

Der Golf von Volkswagen hat seit mehr als vierzig Jahren seine treuen Fans. Über 30 Millionen Fahrzeuge wurden im Laufe der Zeit gebaut. Es gibt ihn mit Otto- und Dieselmotor, als Allrad, Kombi und Cabrio, sportlich flach und praktisch erhöht. Da lag es nahe, ihn auch mit Elektroantrieb auszustatten. Das Ergebnis kann sich nicht nur sehen lassen, der e-Golf lässt sich auch ganz hervorragend fahren!

Eine Erfolgsgeschichte

Im Freundeskreis gibt es mehrere eingefleischte Fans der Marke Volkswagen. Auch der Golf ist dort zahlreich vertreten. Einer der Freunde, der schon viele Autos hatte und der immer sehr gut über Technik und Entwicklungen informiert ist, fährt aktuell einen GTI.

Im Juni 2015 sendet er einen folgenreichen Brief an seine Hausverwaltung und bittet darin um die Genehmigung, einen Ladeanschluss für ein Elektroauto installieren zu dürfen. Die Verwaltung gibt ihr OK und wenige Tage danach ist das Projekt bereits weit fortgeschritten: Paech Elektro hat den Auftrag für die Steckdose und ein VAG-Händler in Peine einen geeigneten e-Golf auf dem Hof.

Bereits Mitte Juli ist alles perfekt. Schließlich röhren wir im roten GTI über die A2 nach Westen und wenige Stunden später rauschen wir in einem weißen e-Golf zurück in Richtung Berlin. Im Vorfeld haben wir dafür allerdings etwas Planungsarbeit geleistet: Der Routenplaner in GoingElectric hat uns einen Weg mit zwei Ladepunkten berechnet, auf dem wir sicher und schnell vorankommen sollten.

Spannung und Entspannung

Das Auto verfügt über ein aufpreispflichtiges Zubehör, das ihm die Schnellladung an einem CCS-Anschluss mit Gleichstrom erlaubt. Das war auch eine wichtige Voraussetzung für die Wahl dieses Fahrzeugs. In der Grundausstattung des e-Golfs ist dagegen lediglich die langsame Aufladung an der 230V-Schukosteckdose vorgesehen.

Pump it up! Laden mit 50.000 Watt
Pump it up! Laden mit 50.000 Watt

Der Unterschied der beiden Ladeverfahren beim e-Golf wirkt sich vor allem durch die Zeit aus, in der der Akku die Energie zugeführt bekommt. So haben wir an unserem ersten Ladestopp in Magdeburg nur 40 Minuten „Ladeweile“, die wir ganz sinnvoll mit dem Mittagessen verbringen. Als wir zurück zum Auto kommen ist der Akku bereits voll und es kann weitergehen. Nur etwa 80 km Richtung Berlin gibt es eine weitere Schnellladesäule, die wir vor dem letzten Teilstück noch ansteuern wollen.

Dann haben wir aber etwas Pech: Knapp zwei Kilometer vor unserem Etappenziel stehen wir im Stau. An der Ausfahrt Wollin gab es offenbar einen schlimmen Unfall und wir stecken wie alle anderen eine knappe Stunde mehr oder weniger fest. Doch während im Stop-and-Go um uns herum Hunderte von Litern Benzin und Diesel relativ nutzlos verbrannt werden, verbrauchen wir nur dann etwas Strom, wenn es wieder ein paar Meter weiter geht.

In dieser Stunde wären wir an sich sogar problemlos bis Berlin gekommen, denn das Auto hat auf der bisherigen Fahrtstrecke erstaunlich wenig Energie benötigt. Zunächst etwas zurückhaltend, hatten wir uns erst einmal hinter einen Postbus „gehängt“. Durch den mit einem Abstandsradar kombinierten Tempomaten ist das tatsächlich so, als wäre man mit einem Schleppseil vertäut. Der e-Golf hält automatisch den korrekten Sicherheitsabstand ein. Wird der Vorausfahrende langsamer, dann verringert auch der e-Golf die Geschwindigkeit.

Im Ergebnis ist das sehr entspannend und effektiv, denn wir kommen mit ca. 110 km/h gut voran und müssen dennoch nur aktiv eingreifen, wenn der Bus überholt. Doch selbst das ist in seinem Schatten ganz problemlos möglich. Und durch den Unfall bei Wollin treffen wir dann so ziemlich alle wieder, die vorher schneller unterwegs waren…

Großzügige Ausstattung - geringer Stromverbrauch
Großzügige Ausstattung – geringer Stromverbrauch

Die konstante Fahrgeschwindigkeit ohne große Beschleunigungsvorgänge führt außerdem dazu, dass wir im Durchschnittsverbrauch weit unter der Werksangabe bleiben. Am Ende der Fahrt über 260 km haben wir dann 12,2 kWh pro 100 km auf dem sehr informativen Display stehen. Mit einer Akkuladung wären wir jeweils mehr als 175 km weit gekommen. Eine einzige Ladesäule an der richtigen Stelle auf unserer Fahrtstrecke hätte also völlig ausgereicht. Spannung kam überhaupt nur auf, weil man vorher nicht wusste, ob die benötigte Säule frei und funktionsfähig ist. Auf unserer Fahrt war dies jedoch immer der Fall. Auch in Wollin laden wir während einer Kaffeepause kurz auf und vertreten uns die Beine – in Gesellschaft einiger unserer Staunachbarn.

My Home is my Ladepunkt

Schließlich steht das Auto an seinem neuen Platz in Berlin und saugt gemächlich Wechselstrom aus der CEE-Steckdose. Dieser als „Campingstecker“ bekannte Anschluss hat gegenüber der üblichen Haushaltsteckdose den Vorteil, dass er dauerhaft auch mit 16A belastet werden kann, was man Haushaltssteckdosen nicht zumuten kann und soll.

Wechselstrom nuckeln am Stellplatz (Foto: B. Rochlitz)
Wechselstrom nuckeln am Stellplatz (Foto: B. Rochlitz)

Mit einem entsprechendem Ladekabel von Mennekes ist es somit möglich, an allen Stromanschlüssen mit 16A-Phase zu laden und dennoch für Schukodosen und an Anschlüssen, die z. B. über einen Schalter laufen, den Ladestrom auf 13A oder 10A zu reduzieren.

Das serienmäßige VW-Ladekabel mit Schukostecker und 10A Ladestrom (auf dem Bild unten links) täte es für die alltägliche bzw. die allnächtliche Aufladung jedoch natürlich auch. Im Alltag wird das Fahrzeug ja vor allem den Weg zur Arbeit und zurück, also täglich rund 33 km insgesamt absolvieren. Um die dafür benötigte Energie wieder aufzuladen, werden mit dem 2,3kW-Kabel jeweils etwa drei bis fünf Stunden Ladezeit ausreichen. Mit dem Mennekes-Kabel und 3,7kW Ladeleistung geht das eben etwas schneller.

Was man so dabei haben sollte: Ladekabel (Foto: B. Rochlitz)
Was man so dabei haben sollte: Ladekabel (Foto: B. Rochlitz)

Dasselbe gilt hinsichtlich Leistung und Zeit übrigens für das sogenannte Typ2-Kabel (rechts im Bild), das den Anschluss an die in Europa übliche öffentliche Ladetechnik mit Wechselstrom möglich macht. Es ist als Sonderausstattung erhältlich. Die zwei Kabel passen übrigens auch prima unter den Kofferaumboden, wenn sie aus dem Weg sein sollen.

Auf längeren Fahrten wie z. B in den Urlaub wird man ja unterwegs ohnehin möglichst die Schnelladetechnik nutzen. Deren dicke Kabel und Stecker sind immer fest mit der Ladsäule verbunden und werden nur am Fahrzeug eingesteckt.

Fazit

Der e-Golf ist ein tolles Elektroauto. Sein hoher Preis ist durch eine sehr fortschrittliche, hochwertige und gut durchdachte (Sonder-)Ausstattung durchaus gerechtfertigt. Damit zu fahren ist angenehm, leise und bequem. Etwas laut empfinde ich lediglich die Abrollgeräusche der Reifen, die jedoch besonders widerstandsarm rollen und Energie sparen sollen.

Der Antrieb ist sehr einfach und effektiv auf die benötigte Eigenschaft einzustellen: Optimal für sparsamen Verbrauch und große Reichweite ist einer der Eco-Modi. Im Normalmodus fährt er agil und sportlich, wie man es von Elektroautos ja so kennt. Die Bremswirkung des Elektromotors und damit die Stärke der Rückgewinnung von Energie kann man ebenfalls leicht und nach Wunsch am „Schalthebel“ auswählen.

Das Aufladen ist unkompliziert, benötigt bei ausreichender Standzeit (nachts) nur geringe Anschlussleistung (Haushaltssteckdose) und ist im Schnellladeverfahren mit Gleichstrom technisch besonders wirkungsvoll. Durch das (noch) geringe Angebot an CCS-Ladesäulen müssen Fahrten gut geplant werden, die über die hohe mögliche Reichweite von mehr als 180 km im Sommer hinausgehen.

Er erkennt Verkehrsschilder und zeigt die erlaubte Geschwindigkeit an, hat ein ausgezeichnetes Navigationssystem und einen hilfreichen Bordcomputer. Er kann sogar das Verlassen der Fahrspur korrigieren, was auf schnell befahrenen Straßen und bei Gegenverkehr die Sicherheit erhöht. In der Stadt unterstützt der e-Golf durch weitere sinnvolle Assistenzsysteme: City-Notbremsfunktion, Umfeldbeobachtung und die Rückfahrkamera schützen vor Fehlern mit bösen Folgen. Und selbständiges Einparken lässt sogar den Unterschied zwischen Männern und Frauen endgültig verschwinden – was das Autofahren angeht.

Allerdings fehlt dem e-Golf auch etwas: Im Gegensatz zum GTI macht er kein Getöse, wenn er aus dem Stand heraus davonzischt. Der Kavalierstart 2.0 ist beinahe lautlos…

2 thoughts on “Tapetenwechsel”

  1. Sehr nett geschrieben, Matthias!

    …aber ich würde das „Röhren“ sicher vermissen… 🙂

    P.S. Nach Peine fährt man auf der A2…

    Gruss, Marc

    1. Dankeschön. Und sehr aufmerksam gelesen, Marc! Die A2 ist es natürlich gewesen.

      Und was das Röhren angeht: Ich kann Dich, glaube ich, vollauf verstehen und freue mich immer wieder über Klang und Charakter meiner (alten) BMW. Meine persönliche Erfahrung der letzten Jahre ist aber auch: Elektrisch Fahren hat was ganz Besonderes, das ich auch nicht mehr missen möchte.

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