Ein Fahrzeug, das kein Abgassystem hat, belastet und verschmutzt die Umwelt? Das hätten diejenigen wohl gern, die mit fossilen Techniken seit hundert Jahren viel Geld verdienen – und dies so lange wie möglich auch weiterhin tun wollen.
Allerdings sollte man jede Entwicklung selbst dann kritisch betrachten, wenn man davon restlos begeistert und vollauf überzeugt ist. Und da die Elektromobilität die Beschädigung unserer Umwelt reduzieren und nicht noch verstärken soll, ist ein Blick auf das Gesamtbild mit seinen Zusammenhängen hilfreich.
Innere Werte
Natürlich fällt ein Elektroauto nicht vom Baum. Es ist das Ergebnis eines komplexen industriellen Prozesses, der Spuren in unserer Umwelt hinterlässt, so wie jeder andere Produktionsvorgang auch. Der Ressourcenverbrauch beginnt mit den Entwürfen und endet erst nach der Entsorgung des Fahrzeuges am Ende des Nutzungszeitraums. Wenn man alle benötigten Ressourcen mit in die Beurteilung der Technologie einbezieht, erhält man selbstverständlich ein anderes Bild von der Umweltbelastung, als wenn man nur den Betrieb des Fahrzeuges anschaut und den Rest ausblendet. Heute bemisst man den „energetischen Fußabdruck“ vor allem dadurch, dass man das Äquivalent an CO2 berechnet, das für einen Prozessschritt anfällt.
Bis auf den BMW i3, bei dem in größerem Umfang auch Kohlefaser zum Einsatz kommt, bestehen alle aktuellen Serienelektroautos überwiegend aus Stahlblech und Aluminium. Sie unterscheiden sich also bezüglich ihrer Karosserie nicht so sehr von ihren fossilen Kollegen. Stahl und Aluminium zu erzeugen, ist energieaufwändig. Die dafür notwendigen Industrien belastet die Umwelt in großem Umfang. (Aber auch zum Härten der Bauteile aus Kohlefasergewebe wird eine Menge Wärme benötigt – aus diesem Grund verwendet BMW dafür meines Wissens erneuerbare Energie.)
Dazu kommt im Falle von Elektroautos die Herstellung – und die spätere Entsorgung – einer sehr großen chemischen Komponente: des Akkus. Seine Bestandteile sind teilweise selten, giftig und die Frage der Wieder- und Weiterverwertung heute noch nicht vollständig gelöst.
Und selbst bezüglich der Antriebsenergie ist der Fall nicht ganz eindeutig. Ok, fossile Betriebsstoffe bleiben die Quelle von CO2, Ruß, Stickoxiden und sind zudem unwiederbringlich dahin, wenn sie einmal durch den Motor hindurch sind. Kein Verfahren und technischer Trick kann diesen Schaden verhindern. Und der Reduzierung der Schadstoffe sind offensichtlich ebenfalls technische – und wirtschaftliche – Grenzen gesetzt.
Aber selbst der „saubere“ elektrische Strom als Antrieb wird ja überwiegend unter Einsatz fossiler Energieträger gewonnen. Und sogar der Bau von Windkraft- und PV-Anlagen, wenn man denn den Strom auf diese Weise produziert, verschlingt fossile Energie, deren Nutzung erst nach längerem Betrieb wieder ausgeglichen ist. Somit geht rechnerisch auch bei Elektroautos der Verbrauch fossiler Energieträger in die Umweltbilanz mit ein.
In Singapur hat dies kürzlich dazu geführt, dass der erste dort zugelassene Tesla Modell S mit einer Kohlendioxidabgabe von umgerechnet etwa 10.000 Euro belegt wurde! Der Grund ist die dort beinahe ausschließliche Stromerzeugung aus fossiler Energie und entsprechende Gesetze zur Reduzierung des Energieverbrauchs und damit des CO2-Ausstoßes.
Dann sind Elektroautos also schlimme Umweltverschmutzer und müssen durch Sonderabgaben unattraktiv gemacht werden? Und Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren sind demnach harmloser und unersetzlich für eine gesunde Umwelt? Komische Logik, oder? Aber so lange sämtliche Produktion von fossilen Energieträgern abhängt, sind diese Aussagen nicht völlig falsch.
Sprechen wir über Energie
Die Wurzel allen Übels ist und bleibt natürlich die Quelle, aus der wir den Großteil unserer Energie schöpfen: Öl, Kohle und auch Erdgas. Stoffe, die sich in Millionen Jahren unter ganz besonderen Bedingungen gebildet haben, von uns seit einigen hundert Jahren gefördert und in Öfen und Kraftmaschinen verbrannt werden.
Fossile Energieträger waren und sind eine relativ billige Möglichkeit, um viel Energie für die Entwicklung und Verbreitung verschiedener Technologien zu erhalten, die der Menschheit durchaus genutzt und sie in die heutige Zeit gebracht haben. Allerdings sind die dadurch entstandenen Umweltschäden inzwischen kaum noch zu beheben. Zudem sind diese Quellen endlich und die Förderung der verbliebenen, schwieriger zu erreichenden Lager erhöht die Kollateralschäden sogar noch.
Welche Produkte wir auch betrachten, alle haben eine verborgene Eigenschaft, die dem Verbrauch fossiler Energie in einem bestimmten Umfang entspricht. Ob es ein Bioapfel ist oder ein Liter Heizöl: Damit wir ihn nutzen können, wurde Energie für die Produktion, den Transport, die Verpackung und weitere Prozessschritte benötigt. So hat also schon die Produktionskette neben anderen bekannten Schadstoffen CO2 freigesetzt und im Falle des Heizöls entsteht bei seiner Verwendung noch sehr viel mehr davon.
Nun war man in den Siebzigern des letzten Jahrhundert noch überzeugt, man könne dieses Problem dadurch lösen, dass in großem Stil Kernenergie statt fossiler Brennstoffe zum Einsatz kommt. Kleine Mengen von Kernbrennstoff können riesige Energiemengen liefern, die man in Form von elektrischem Strom für fast alle Zwecke nutzen kann.
Inzwischen wissen wir von den Risiken und Problemen, die das mit sich bringt. Wenn diese Technologie in unserem unmittelbaren Lebensraum eingesetzt wird, nehmen wir früher oder später beträchtlichen Schaden. Die Erde ist einfach nicht groß genug, als dass wir diese gefährliche Technologie weiterhin auf ihr verwenden können. Dennoch ist das Ziel gut und richtig, Elektrizität ohne Emissionen herzustellen und in möglichst allen Bereichen zu nutzen.
„Wenn möglich, bitte wenden!“
Die Natur selbst zeigt uns ja seit Jahrmillionen den Weg dazu. Weit genug entfernt, um uns nicht zu schaden und doch nah genug, um eine ausreichende Versorgung zu ermöglichen, sowie verlässlich und quasi unerschöpflich sendet uns der riesige Fusionsreaktor im Zentrum unseres Planetensystems Strahlungsenergie in Form von Licht. Dessen Spektrum reicht von der Wärmestrahlung unterhalb des roten Lichtes bis zur UV-Strahlung oberhalb des violetten. Die Sonne liefert auf diesem Weg Energie rund um die Uhr, rund um die Erde, ohne unser Zutun. Was vor allem die Pflanzen seit Beginn ihrer Existenz nutzen, um Grundstoffe aus Luft, Wasser und Boden zu komplexen und energiereichen Molekülen zu verbinden. Letztlich sind Kohle, Öl und Gas ja ein Produkt aus Resten dieser Pflanzen und anderer Organismen und somit gespeicherte Sonnenenergie.
Wir können diese Sonnenenergie und ihre Wirkung auf die Elemente unseres Planeten aber heutzutage auch direkt nutzen, zu Elektrizität umwandeln und diese in Akkus speichern. Ja, und wir können mit der Elektrizität inzwischen sogar Auto fahren. Es ist daher höchste Eisenbahn, die wunderbar universelle Elektrizität nicht nur für überwiegend stationäre Aufgaben, sondern auch für die Mobilität einzusetzen UND sie nicht weiterhin so zu erzeugen, dass irreparable Schäden entstehen.
Denn der Umbau unserer gesamten Versorgung von einer zentralisierten, auf fossilen, das heißt auf „ausgegrabenen“ Energiekonzentraten gründenden Technologie, hin zu einer, die in der Fläche Energie erntet, speichert und konzentriert, wird noch einige Zeit brauchen und seinerseits Energie kosten. Energie, die wir heute noch überwiegend anders gewinnen.
Die Zukunft beginnt jetzt
Daher ist die Frage, ob Elektroautos in ihrer Umweltbilanz „sauber“ sind, völlig abwegig. Der Ausbau der Mobilität abseits einer fossilen Energiequelle ist nicht die Ursache für den notwendigen Umbau der Energieversorgung, sondern eine wichtige Begleiterscheinung der Energiewende. Die Menschheit muss unabhängig von den endlichen „vergrabenen“ Ressourcen werden und endlich die konstante Versorgung mit elektrischer Energie aus der Umwelt realisieren. Und sie muss alle Bereiche des Lebens darin einbeziehen, auch den Individualverkehr.
Anders gesprochen: Wir müssen damit aufhören, uns aus den Ersparnissen unser Vorfahren von vor Millionen Jahren zu bedienen, sondern erwachsen werden und für regelmäßige Einnahmen sorgen. Und dafür müssen alle Technologien zur täglichen Ernte und zur Speicherung von Energie zügig ausgebaut werden und die für uns so wichtige Fortbewegung in das Konzept mit einbeziehen.
Elektroautos mit Batterie werden dabei eine zentrale Rolle spielen. Denn die Technik funktioniert jetzt bereits und entwickelt sich gut weiter. Sie verursacht bei ihrer Verwendung keine Emissionen und ist verlustarm. Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren sind dagegen die Dampfloks von heute: Als Zeugen unserer technischen Entwicklung schön anzusehen und zu erleben, aber nicht länger tauglich, einen festen Platz in unserem modernen Alltag einzunehmen. So wie Telefonzellen, Petroleumlampen, Kutschen und offenes Feuer, die nur noch unter besonderen Umständen benötigt werden.
Wer die Zukunft heute erleben möchte, kann das also bereits tun, mit gutem Gewissen auch jetzt schon emissionsfrei ein Elektroauto fahren und es mit Strom aus Erneuerbaren Energien aufladen, die es überall zu kaufen gibt. Wer sich eine PV-Anlage leistet oder sich an Windkraftanlagen beteiligt, tut sogar noch mehr: Er schafft sich quasi eine eigene „Ölquelle“ und trägt seinen persönlichen Anteil zur Energieernte bei.
Deutschland als Nachzügler
Wohl gerade weil unser Land stark in der Wirtschaft und im Export von Kraftfahrzeugen ist, liegen wir allerdings bei der erlebten Elektromobilität ziemlich weit hinten. Man argumentiert auf allen Ebenen gerne sogar gegen die Entwicklung derselben, weil der Umbau mehrerer Industrien die Unternehmen natürlich auch eine Menge Geld kostet.
Andere Länder, die sogar zu den Produzenten von fossilen Brennstoffen zählen, sind da wesentlich weiter. Norwegen ist gerade dabei, seinen „Nasjonal transportplan (NTP)“ durch eine entsprechende Gesetzgebung umzusetzen, die unter anderem ab 2025 die Neuzulassung von PKW mit fossilen Kraftstoffen unterbindet. Bis zu dem Tag, an dem dieses Verbot wirksam wird, sind das noch etwa 430 Wochen… (Stand Juli 2016)
Inzwischen haben Österreich, die Niederlande und Indien ähnliche Pläne und einen ähnlichen Zeitplan. Und vor allem Indien und die Niederlande müssen dafür noch die Aufgabe lösen, ihre Stromerzeugung von Kohle und Gas auf CO2-freie Quellen umzustellen. Dennoch macht der Start der Elektromobilität schon heute Sinn, denn die Fahrzeuge stoßen eben bei der Verwendung schon heute keine Schadstoffe aus und helfen sofort, die lokale Luftverschmutzung gerade in den stark befahrenen Ballungsräumen zu reduzieren.
Elektroautos – und ihre Infrastruktur zum Laden – müssen also jetzt und heute entwickelt, aber auch gefördert, gekauft und gefahren werden. Sie sind grundsätzlich keine größeren Dreckschleudern als Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor, sondern sauberer! Sie sind der richtige und ein wichtiger Schritt bei der Umgestaltung unserer Energiesysteme. Die Notwendigkeit dazu ist nicht nur die CO2-Problematik allein, sondern auch das unausweichliche Ende der fossilen Energie. Die Zeit dafür ist also mehr als reif, denn das Ganze ist ein umfangreiches Projekt.
Und ganz nebenbei: Elektrisches Autofahren ist angenehm und macht Spaß. Wenn Sie können, dann tun Sie es ruhig!
Update: Seit dem 2. Juli 2016 ist nun die Beantragung des Fördergeldes für Elektroautos möglich. Das BaFa gibt auf seiner Website dazu Auskunft und stellt dort auch ein entsprechendes Merkblatt zum Download bereit. Die derzeit aktuelle Liste der förderungswürdigen Fahrzeuge wird ständig angepasst. Den Antrag selbst kann man hier stellen.