Heute stimmen die Berliner über ihre Landesregierung – das Abgeordnetenhaus – sowie über die für die Bezirke zuständige Bezirksverordnetenversammlung ab. Was haben die Parteien denn im Jahre 2016 zum Thema Elektromobilität im Programm? Bisher hat die Stadt sich ja mit fortschrittlicher Haltung zur Elektromobilität nicht gerade ausgezeichnet. Wird nun endlich alles anders?
Das Image der Stadt ist … bunt. Man denkt an „Arm aber sexy“, eine Metropole mit Geschichte, an pulsierendes Leben im Kiez, eine starke Szene für innovative junge Unternehmen, aber auch an Problembezirke, Feinstaub und andere Luftbelastung, BER-Debakel, Verwaltungschaos und verfallende Schulen. Bezüglich Elektromobilität kann man seit Jahren vor allem vollmundige Bekenntnisse der Politik zum „Leitmarkt im Schaufenster Elektromobilität Berlin-Brandenburg“ vernehmen. Praktisch aber sind vor allem viele kleine Kommunen und andere Groß- und Kleinstädte wesentlich weiter: Sie unterstützen die E-Automobilisten zum Beispiel durch den Verzicht auf Parkgebühren, bauen nutzbare öffentliche Ladeinfrastruktur auf und zeigen auch beim eigenen Fuhrpark, dass sie Elektroautos für sinnvoll und einsetzbar halten.
Die Parteiprogramme zur Wahl des Abgeordnetenhauses 2016
Schaut man sich die Programme der wichtigsten Parteien in diesem Wahlkampf an, dann steht in jedem Papier etwas über Elektromobilität. Hier die betreffenden Auszüge in alphabetischer Sortierung nach Parteien:
AfD
„Die neuen Leitmärkte der „Green Economy“, etwa in den Branchen Energieeffizienz, Elektromobilität, Kreislaufwirtschaft, Eco-Trade, Bio-Food oder Cleantech, haben in Deutschland bereits hunderttausende Arbeitsplätze geschaffen und bilden Wachstumsmärkte der Zukunft. Für den Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort Berlin sind diese neuen Technologien wichtige Impulsgeber sowohl für internationale Unternehmensansiedlungen, Messen und Veranstaltungen als auch für die eigene Exportwirtschaft.
Wir sehen Nachhaltigkeit als wesentlichen Faktor der regionalen Wirtschaftspolitik. Daher treten wir für Förderprogramme und günstige Rahmenbedingungen für Industrieansiedlungen und Unternehmensgründungen in den Leitmärkten der Green Economy, besonders im Mittelstand und der forschenden Industrie ein.“
CDU
„Ein „Teil-Stadtentwicklungsplan“ Elektromobilität ist zu erstellen. Bisher gibt es Ladestationen für Elektroautos nur vereinzelt in Berlin. Um das Netz an Ladestation günstig und schnell auszubauen, wollen wir mit Strom betriebene Straßenlaternen als „Zapfsäulen“ für die Elektroautos (sog. „Kombilaternen“) nutzen. Als Ladestationen könnten auch Parkautomaten dienen.
Privilegien für Fahrer von Elektroautos könnten dafür sorgen, die Elektromobilität und die Nutzung von Elektroautos in unserer Stadt weiter zu fördern.“„Der Elektromobilität kommt eine Schlüsselrolle bei der Weiterentwicklung und Etablierung nachhaltiger Mobilitätskonzepte zu. Der Ausbau der Elektromobilität in Berlin muss in eine Strategie für ein effizientes intelligentes Stromnetz integriert werden, denn der Erfolg der Berliner Elektromobilität hängt auch wesentlich von der Bereitstellung einer optimalen Infrastruktur ab.“
FDP
„Wir wollen Rahmenbedingungen schaffen, um die Potenziale alternativer Antriebssysteme, vor allem der Elektromobilität, zu entfalten und technologisch fortschrittliche neuartige Lösungen zu entwickeln. Dafür muss Berlin die Kreativität der hiesigen Gründerszene nutzen und im Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern moderne Technologien und Mobilitätskonzepte vorantreiben.“
Die Grünen
„Zusätzlich wollen wir den Ausbau der Elektromobilität durch ein Förderprogramm der Investitionsbank Berlin (IBB) unterstützen: Mittelständische und kommunale Unternehmen sowie Selbständige können zinsgünstige Darlehen für Forschungsvorhaben und Projekte erhalten, die dem Ausbau der Infrastruktur, der Entwicklung von Technologien der Elektromobilität oder dem Aufbau von rein elektrischen oder wasserstoffgetriebenen Fahrzeugflotten dienen. Dabei sollte das Land Berlin vorangehen und aktiv den öffentlichen Fuhrpark des Senats und der Bezirke, ebenso wie etwa die Busflotte der BVG, klimafreundlich weiterentwickeln und schließlich elektrifizieren.“
SPD
„Die Elektromobilität – auf Basis regenerativer Energie – wird als Bestandteil des Umweltverbunds gefördert. Dabei soll dem Ausbau der Elektromobilität bei einem zukünftigen Citylogistikkonzept eine besondere Rolle zukommen.
Die SPD wird die Parkraumbewirtschaftung in der kommenden Legislaturperiode weiter vorantreiben. Eine Gebührenbefreiung batteriebetriebener Fahrzeuge in Parkraumbewirtschaftungsgebieten lehnen wir ab.“
Linke
„Förderung der Elektromobilität
heißt für uns ganz wesentlich Ausbau des Straßenbahnnetzes.“
Piraten
„Wir fordern die Schaffung eines flächendeckenden Netzes an Ladestellen für Elektrofahrzeuge. Als Betreiber dieser Ladestellen soll das Land Berlin oder ein geeigneter landeseigener Betrieb agieren. Dabei muss besonders berücksichtigt werden, dass diese verstärkt im Bereich von Mehrfamilienhäusern geschaffen werden, da deren Bewohner in der Regel nicht die Möglichkeit haben Elektrofahrzeuge zu Hause zu laden.“
Wenig Hoffnung auf politische Unterstützung
Aus meiner persönlichen Sicht beinhaltet keines der Parteiprogramme geeignete Maßnahmen, schnell und entscheidend zur positiven Entwicklung der Elektromobilität in Berlin beizutragen. Der Grund dafür scheint mir zu sein, dass zu wenig sachliche Erfahrung vorhanden ist, keine neutralen Informationsquellen genutzt werden und die Ziele völlig diffus bleiben.
Lediglich die CDU nennt konkrete Lösungen zur Verbesserung der öffentlichen Ladeinfrastruktur und schließt auch andere Fördermaßnahmen nicht aus. In der vergangenen Legislaturperiode sind diese Ziele während ihrer Regierungsbeteiligung jedoch auch nicht umgesetzt worden. Alle übrigen Parteien drücken sich entweder sehr unverbindlich aus, meinen mit „Elektromobilität“ offenbar ausschließlich ÖPNV wie Bus und Tram oder sprechen sich sogar gegen mögliche Fördermaßnahmen aus, die in vielen anderen Städten bereits erfolgreich eingeführt wurden. Es scheint, als würde das Thema nur widerwillig und der Vollständigkeit halber erwähnt: „Ach ja, dann noch Elektromobilität … und natürlich Weltfrieden!“
Vielleicht kann dies ja helfen:
Elektroautos gibt es bereits. Mit den aktuellen Modellen kann man besonders innerhalb unserer Stadt ganz ausgezeichnet zurechtkommen. Wer elektrisch fährt, macht keinen Feinstaub, ist leise und gibt kein CO2 oder Stickoxid ab. Es braucht auch keine Forschung oder kostspielige Verfahren, um das festzustellen.
Am besten lassen sich die E-Autos betreiben, wenn man am üblichen Stellplatz des Fahrzeuges laden kann. Das könnte man technisch ziemlich unkompliziert zunächst einmal an den vielen tausend privaten Stellflächen in Tiefgaragen und auf Parkplätzen der Wohnanlagen bewerkstelligen. Arbeitgeber mit Stellpätzen für ihre Mitarbeiter und auch gewerbliche Parkhäuser könnten interessiert sein, sogar kostenlos Lademöglichkeiten anzubieten. Aber dazu braucht es politische Unterstützung und die Anpassung von Gesetzen auf Bundes- und Landesebene. Kostet ebenfalls wenig, bringt der lokalen Wirtschaft Aufträge, verursacht sogar Steuereinahmen – und fällt in den üblichen Aufgabenbereich der Regierung.
Noch sind E-Autos ohne Emmission wegen der geringen Stückzahlen teurer als Modelle mit Verbrennungsmotor, die CO2, Stickoxide und Ruß ausstoßen. Kaufen werden sie also zunächst nur Menschen, die etwas mehr Geld dafür aufbringen können und wollen. Es wäre daher eine faire Geste, dieses Engagement nicht als Luxusspielerei zu brandmarken, sondern als Beitrag zum Gemeinwohl zu honorieren. Verzicht auf Parkgebühren und die finanzielle Förderung privater Ladeinfrastruktur wären Beispiele dafür. Das kostet unter dem Strich ebenfalls nicht viel, da durch E-Kennzeichen die Fahrzeuge bereits erkennbar sind und Fördergelder ebenfalls direkt der lokalen Wirtschaft zugute kommen bzw. Steuereinnahmen verursachen.
Wenn in den Bereichen mit Parkraumbewirtschaftung, die in den vom Autoverkehr stark frequentierten Bezirken liegen, weniger Autos mit Verbrennungsmotor und mehr mit Elektromotor stehen würden, dann hätten wir dort auch automatisch weniger Lärm, Abwärme und Abgase. Was wäre also falsch daran, das Parken für Elektroautos zunächst einmal kostenlos zu erlauben, um den Anreiz für deren Verwendung zu verstärken? Die Einnahmeverluste sind minimal und der positive Effekt hinsichtlich Emmisionen unmittelbar.
Stattdessen werden leider kaum Maßnahmen in den Programmen aller Parteien genannt, sondern Plattitüden bemüht und Schritte angekündigt, mit deren Hilfe man die nötigen Entscheidungen in unbestimmte Zukunft verschieben kann. Wenn aber die Lebensqualität in Berlin ein Ziel dieser Regierung sein soll, dann brauchen wir – zumindest bezüglich de Straßenverkehrs – auch schnell mehr Elektrofahrzeuge.
Hoffentlich findet sich in den nächsten Jahren neben den vielen Aufgaben, die in unserer Stadt zu lösen sind, auch etwas Zeit und genügend Kompetenz, um diese wichtige Technik zu etablieren und voranzubringen. Fördern muss man jetzt und zwar auch in den Kommunen, damit sich die heute trotz Prämien noch teureren, aber sauberen Fahrzeuge gegen die billigeren, aber schädlichen Fahrzeuge durchsetzen. Das ist doch logisch und ziemlich einfach zu verstehen. Also nicht mehr so viel zögern, sondern bitte endlich mal machen…