Das ist der WEG

Wer über den Umstieg auf ein Elektroauto nachdenkt, stellt sich naturgemäß die Frage, wo es geladen werden kann. Am bequemsten und einfachsten geht das freilich dort, wo das Auto üblicherweise abgestellt wird. Für Laternenparker ein noch schwer lösbares Problem. Anders bei Fahrzeugen mit eigenem Stellplatz, wenn dort ein Stromanschluss installiert werden kann.

In vielen Wohnanlagen sind solche Stellflächen vorhanden. Handelt es sich jedoch um Eigentümergemeinschaften, waren bisher solche Installationen im Gemeinschaftseigentum durch die Einordnung als „bauliche Veränderung“ praktisch unmöglich. Die für den Wechsel zur E-Mobilität so wichtige Anpassung von Parkflächen an den heutigen Bedarf ist rechtlich nun aber endlich geregelt.

Schwierige Geburt

Ab 1. Dezember 2020 tritt nach jahrelangem Gesetzgebungsprozess das WEMoG in Kraft, das „Gesetz zur Förderung der Elektromobilität und zur Modernisierung des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG)…“. Eigentümergemeinschaften können nun unter anderem Ladeinfrastruktur genauso planen und entscheiden, wie sie auch andere Maßnahmen zum Erhalt des Gemeinschaftseigentums durchführen. Bisher konnte das Veto eines einzelnen Eigentümers alle Vorschläge blockieren. In Zukunft reichen einfache Mehrheiten, um einen entsprechenden Beschlussantrag zu entscheiden.

Zu den juristischen Details sollte man sich bei Fachanwälten, in den einschlägigen Medien und bei der Verwaltung informieren. Dieser Artikel will vor allem das technisch Sinnvolle unter der Berücksichtigung mehrjähriger Erfahrungen mit E-Mobilität skizzieren. Auf dieser Basis lassen sich dann Angebote von Fachfirmen leichter einholen und das Vorhaben zielführend planen. Denn die Geschichte der Ladeinfrastruktur ist eine Geschichte voller Missverständnisse…

Nur eine Notlösung: Laden an der Schuko-Steckdose

Ein idealer Stromanschluss zum Laden eines Elektroautos sollte nämlich bestimmte Eigenschaften aufweisen. Die simple Ausstattung von Stellflächen mit klassischen Haushalts- oder Schuko-Steckdosen wäre zwar naheliegend, ist aber in der Praxis keine gute Idee. Steckdosen sind vor allem für elektrische Haushaltsgeräte gedacht und für die regelmäßige und andauernde Belastung mit hohen Strömen weitgehend ungeeignet. Ladekabel für die Steckdose sind eher etwas für den Notfall bei leerem Akku oder den gelegentlichen Anschluss in Regionen ohne andere Lademöglichkeit.

Für eine dauerhaft gute und stabile Lösung gibt es aber wesentlich bessere Produkte, die hinsichtlich Sicherheit und Stabilität genau auf die Aufgabe zugeschnitten sind. Bei der Planung sollte man daran denken, dass die Entwicklung der Fahrzeuge voranschreitet und sich die Käufer zunehmend für größere Akkus in den Autos entscheiden. Dadurch wird auf der einen Seite der Leistungsbedarf für den einzelnen Stellplatz und die gesamte Parkfläche häufig überschätzt, er sollte aber andereseits auch eine gewisse Mindestleistung nicht unterschreiten.

Für alle Fälle

Um es vorwegzunehmen, Wallboxen mit Typ2-Anschlüssen, die auf drei Phasen je 16 Ampere Strom übertragen können (11kW Drehstrom), sind meiner Erfahrung nach die ideale Lösung. Sie werden mit fünfadrigen Leitungen versorgt und sind für alle Fahrzeugtypen geeignet.

Wallbox, hier mit 11kW

Für zum Beispiel eine Tiefgarage mit 27 Stellplätzen wären mit 10 Wallboxen problemlos mindestens 20 Elektroautos zu versorgen, wenn die Anschlüsse jeweils zwischen den Stellflächen montiert sind. Durch den Einsatz eines elektronischen Lademanagements und die Identifikation der Nutzer per Chipkarte können sowohl die zur Verfügung stehende elektrische Gesamtleistung als auch die Kosten für den Strom leicht aufgeteilt werden. Für den genannten Zweck halte ich bei 20 Fahrzeugen eine Gesamtleistung von 22kW (Drehstrom 32A) für völlig ausreichend und in jeder Wohnanlage der entsprechenden Größe auch für realisierbar.

Grundlagen für diese Aussagen, die Argumente und Daten dafür folgen weiter unten. Dass selbst diese relativ geringe Anschlussleistung in der Praxis bereits ausreicht, um den in den nächsten Jahren tatsächlich zu erwartenden Anteil an Elektroautos in einer durchschnittlichen Wohnanlage ausreichend mit Strom zu versorgen, wird dort mit einem kurzen Rechenbeispiel belegt.

Für das Verhältnis zwischen Anzahl der Stellplätze und der Menge der Ladepunkte spricht meiner Ansicht nach der zu erwartende Anteil an Elektroautos gegeüber anderen Antriebsarten. Dass sämtliche Fahrzeuge in absehbarer Zeit Antriebsbatterien haben werden, halte ich nicht für wahrscheinlich. Es wird auch in Zukunft einige Einsatzbereiche geben, in denen der Elektroantrieb eine ungünstige Lösung darstellt. Bei fortgeschrittener Energiewende werden wir zudem auch synthetische Treibstoffe bekommen, die CO2-neutral verbrennen und die Verwendung in klassischen Motoren möglich machen. Ich gehe daher mittelfristig von einem Drittel verbleibender Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor oder Brennstoffzelle aus.

Dabei kalkuliere ich mit typischen Fahrstrecken von rund 40km täglich, die die Statistik für PKW in Deutschland ausweist. In meiner Nachbarschaft (Berliner Innenstadt) fahren die Autos nach meiner Kenntnis täglich sehr viel weniger. Das hängt natürlich von vielen Faktoren ab, ist aber sicherlich für viele Wohnanlagen in Großstädten ähnlich. Eine kurze Umfrage unter den Bewohnern kann das aber klären. Auf die tägliche Distanz haben längere Urlaubs-, Geschäftsfahrten und ähnliches auch wenig Einfluss, denn auf diesen Strecken wird man in der Regel die öffentliche Ladeinfrastruktur und möglichst Schnelllader nutzen. Private Ladeinfrastruktur am Stellplatz ist vornehmlich für die alltäglichen Fahrten relevant und nützlich.

Doch nun zu den einzelnen Faktoren, die die oben genannten Annahmen und Vorschläge begründen.

Schulausflug

Es schadet nicht, sich kurz mit den einfachen Grundlagen und etwas Mathematik zu befassen. Die Zusammenhänge von elektrischer Spannung, Strom und Leistung sind ja leicht zu verstehen und die physikalischen Größen allgemein aus dem Physikunterricht bekannt:

Die Spannung in Volt (V) multipliziert mit der Stromstärke in Ampere (A) ergibt die Arbeit in Watt (W).

Die 230V der „Haushaltssteckdose“ multipliziert mit den durch die „Sicherung“ begrenzten 16A des Stromkreises ergeben rund 3700 Watt oder 3,7 Kilowatt (kW) an diesem Anschlusstyp. Dabei wird die Energie auf nur einem Leiter übertragen. Arbeitet ein Elektrogerät nun eine Stunde lang mit 3,7kW, dann wurde eine Leistung von 3,7 Kilowattstunden (kWh) erbracht.

Das aktuelle Modell gibt es mit 40 oder 50kWh-Akku (Foto: Renault)

Die Energie im Akku eines aktuellen Elektroautos kann zum Beispiel mehr als zehn Mal so groß sein, also zum Beispiel 37kWh. Folglich wäre ein leerer Akku zehn Stunden lang an einer normalen Steckdose mit 3,7kW zu laden. In der Praxis wird diese Ladezeit aber deutlich länger ausfallen, da die Eigenschaften von Akkus die Regelung des Ladestroms verlangen. Je nach Temperatur, Ladezustand und Alter des Akkus sind besonders zu Beginn und am Ende des Vorgangs niedrigere Ladeströme notwendig.

Zwischen 20% und 80% der Ladung eines Akkus ist aber auch ein erheblich höherer Ladestrom und damit eine deutliche Verkürzung des Ladevorgangs möglich. An einem Drehstromanschluss mit drei Stromleitern statt nur einem, stehen zum Beispiel 11kW zur Verfügung. Damit ist der genannte Akku eines einzelnen Fahrzeugs bereits in etwa fünf bis sechs Stunden vollständig zu laden.

Nun soll aber gegebenenfalls mehr als ein Fahrzeug an seinem Stellplatz zum Beispiel während der Nacht geladen werden. Daraus ergibt sich jedoch nicht zwangsläufig die Notwendigkeit, die hier genannte Tiefgarage mit 20 Anschlüssen je 11kW, also 220kW zu versorgen. Das würde sicherlich den Anschlusswert jeder Wohnanlage übersteigen. In der Praxis kann dieser Wert aber viel niedriger sein, weil nie alle Fahrzeuge gleichzeitig mit der vollen Leistung laden müssen.

Denn rechnet man mit der durchschnittlichen Fahrstrecke von 40km bei 20 Fahrzeugen, dann wäre täglich der Stromverbrauch für nur 800km nachzuladen. Bei einem Verbrauch der Fahrzeuge von etwa 15kWh auf 100km sind das also 120kWh. Bei einer Versorgung der gesamten Anlage mit insgesamt 22kW, wäre diese Energie für alle Autos in etwas mehr als fünf Stunden übertragen.

Praktische Erfahrungen zeigen, dass mit ausreichend großen Akkus für etwa 250 bis 300km Reichweite am Stück auch die Häufigkeit des Ladens stark abnimmt und ein Fahrzeug nur alle 5 bis 10 Tage geladen wird. Es werden also in der Praxis meist nur wenige Autos gleichzeitig angeschlossen sein und diese auch nicht immer die ganze Nacht laden müssen.

Einer für alle – zwei an Einem

Aus dieser Erfahrung heraus ergibt sich die Idee, immer zwei angrenzende Stellplätze mit nur einem Anschluss, einer sogenannten 11kW-Wallbox. auszustatten. Da die Standard-Anschlusskabel dafür mehr als 5m lang sind, würde die Verbindung notfalls auch bis zum übernächsten Stellplatz reichen. Hier lässt sich also die Investitionsumme stark verringern und dennoch werden immer genug freie Anschlüsse für den Alltag bereitgestellt.

Links „Notladekabel“, rechts Typ2-Kabel

Voraussetzung ist allerdings, dass alle Fahrzeuge auch dieselbe Anschlusstechnik nutzen können. Dies ist jedoch ohne weiteres der Fall, da die gesamte öffentliche Ladetechnik ohnehin nach dem sogenannten Typ2-Standard ausgestattet ist. Die meisten Elektroautos haben daher ein Kabel dafür an Bord, egal welche Ladeanschlüsse und -verfahren die betreffenden Modelle noch zusätzlich anbieten.

Der Anschluss an die genannte Wallbox mit Typ2-Standard hat außerdem einen weiteren unschlagbaren Vorteil gegenüber der Haushaltssteckdose, der hier nachdrücklich hervorgehoben werden soll:

Wenn kein Auto damit verbunden ist, liegt überhaupt keine Spannung auf den Kontakten. Erst wenn das Kabel fest in der Wallbox und im Auto verriegelt ist und sich beide Seiten über den maximalen Ladestrom verständigt haben, wird von der Steuerelektronik der Strom eingeschaltet. Das Kabel lässt sich auch erst wieder abziehen, wenn der Stromfluss vom System unterbrochen wurde. Das Ganze ist kinder- und narrensicher.

Trotz einer Vielfalt an Ladeverfahren und -möglichkeiten der verschiedenen Fahrzeugtypen ist der Typ2-Standard also der gemeinsame Nenner. Auch wenn die Autos ihn ganz unterschiedlich verwenden:

Fahrzeuge mit kombiniertem Antrieb aus Elektro- und Verbrennungsmotor (Plug-In-Hybrid oder PHEV) haben einen relativ kleinen Akku und benötigen daher nur kleine Ladeströme, um über Nacht vollgeladen zu werden. PHEVs und reine Elektroautos (BEV) mit kleinen Akkus können daher meist nur mit bis zu 3,7kW laden. Am 11kW-Typ2-Anschluss in unserem Beispiel würden sie also nur einen der drei Stromleiter nutzen.

Teure SUV, Limousinen und Sportwagen haben zum Teil sehr große Akkus, da ihr Stromverbrauch bei hoher Leistung natürlich auch recht hoch ist. Einige können an speziellen Gleichstrom-Schnellladern mit bis zu 300kW laden und sind trotz des großen Akkus schnell fertig.

Selbst mit 100kWh-Akku selten 22kW-Ladung an Typ2-Anschlüssen

An den üblichen Stromanschlüssen jedoch, haben auch diese Fahrzeuge nicht mehr als 22kW Anschlusswert, wenn überhaupt. Doch auch an der 11kW-Wallbox werden auch sie über Nacht natürlich wieder voll. Es dauert halt entsprechend länger. Aber selbst diese „Stromschlucker“ sind im Stadtverkehr sparsam, so dass auch ihr typischer Tagesverbrauch nicht wesentlich höher als bei kleineren Fahrzeugen liegen dürfte.

Zwischen diesen beiden Typen liegen die inzwischen recht häufig anzutreffenden Fahrzeuge, die mit 40 bis 80kWh-Akkus ausgestattet sind. Neben der Möglichkeit, auf Langstrecken schnell zu laden, verfügen sie in der Regel über Typ2-Ladeanschlüsse mit 6 bis 22kW und nutzen zwei oder alle drei Stromleiter (Phasen).

Gerechte Verteilung

Zwei Dinge müssen in der vorgeschlagenen Anlage nun noch geregelt werden: Erstens die Verteilung des zur Verfügung stehenden Stroms auf die angeschlossenen Fahrzeuge sowie zweitens die Aufteilung der Kosten für die jeweils geladene Energie.

Die erste Aufgabe wird von einer zentralen Komponente, dem Lastmanagement, gemeinsam mit den Wallboxen und letztlich den Fahrzeugen geleistet. Alle drei Komponenten kommunizieren miteinander und wenn ein Fahrzeug den Strom am Ende des Ladevorgangs reduziert, werden idealerweise Kapazitäten von anderen Fahrzeugen erhöht, die mehr Strom verarbeiten können.

Kommen neue Verbraucher hinzu, reduziert ein optimales Lastmanagement den Strom an allen übrigen Anschlüssen, so dass der neue Anschluss versorgt werden kann. Wird ein Auto von der Anlage getrennt, erhöht sich automatisch die maximale Leistung der noch angeschlossenen Fahrzeuge. Ggf. muss ein Ladevorgang auch warten, wenn einmal zu viele Verbraucher verbunden sind und der Ladestrom an einem einzelnen Anschluss zu niedrig würde. Auch die Überlastung ist auf diese Weise natürlich ausgeschlossen.

Die zweite Aufgabe übernimmt ein RFID-Chip mit einer individuellen Kennung, der zum Starten des Ladevorgangs an die Wallbox gehalten wird. Ein Zähler in der Wallbox misst die bezogene Energie und übermittelt den Wert an eine App, die Konten zur Verteilung der Kosten führt. Gleichzeitig wird durch die Identifikation des Nutzers verhindert, dass am System Unbeteiligte Strom entnehmen können und auch die Verwendung derselben Wallbox durch unterschiedliche Nutzer ist gewährleistet.

Die letzen Endes zum Einsatz kommende Installation richtet sich natürlich vor allem nach Größe der Stellfläche, Finanzkraft und den örtlichen Möglichkeiten. Es ist anzuraten, sich nach der Festlegung der Rahmenbedingungen mit Fachfirmen zusammenzusetzen und mehrere Lösungsvorschläge zu beurteilen. Es gibt bereits Firmen, die Erfahrung in der Umsetzung von Ladekonzepten haben. Zudem existieren mehr und mehr Tests über die Lastmanagementsysteme verschiedener Anbieter.

Ein echtes Gemeinschaftsprojekt könnte es also sein, das eine Wohnanlage durch die Ladeanschlüsse bereit für die E-Mobilität macht. Meines Erachtens eine nicht unwesentliche Maßnahme zum Werterhalt einer Anlage, der ebenfalls durch die Beseitigung von Barrieren für Menschen mit Behinderungen und die Verbesserung von Kommunikationsanschlüssen gesteigert werden kann. Dafür hat die Gesetzesnovelle endlich die Möglichkeiten geschaffen. Nun gilt es, sie klug anzuwenden. Ich hoffe, dieser Artikel kann ein wenig dabei helfen.

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