Den Geschäftstermin in Hannover habe ich erfolgreich abgeschlossen. (Über den ersten Teil dieser Fahrt kann man hier lesen.) Der Rest der Arbeit wartet am Schreibtisch im Büro, wo ich später von Ferne die entsprechenden Knöpfchen drücken werde. Die Rückfahrt steht also ganz im Zeichen des Erkenntnisgewinns. Da mein letzter Einsatzort in Hannover in der Nähe des ADAC-Standortes liegt, lade ich dort die ZOE für die erste Etappe der Rückfahrt.
„Schnell“ nach Hause
Es ist Februar, gegen 16:00 Uhr und es sieht nach Regen aus. Im Sommer bei 20 Grad und Tageslicht bis 23:00 Uhr hätte ich wohl versucht, eine schöne ECO-Strecke über möglichst viele Landstraßen nach Berlin zu finden. Heute weiß ich, dass ich in der Dunkelheit ankomme. Und bei allem, was mir an der ZOE gefällt, die Lichtausbeute der Scheinwerfer gehört bestimmt nicht dazu. Also wird es wieder eine Autobahnfahrt, ok. Um es vorwegzunehmen: Alles klappt diesmal vorzüglich. Um 21:45 Uhr rolle ich mit 20km Restreichweite, einem warmen Auto mit einem warmen Akku und sehr entspannt in die Tiefgarage und an meine Ladebox. Nicht ganz sechs Stunden dauert es diesmal. Das ist lange für rund 300km, aber natürlich nicht unerwartet.
In den rund sechs Stunden habe ich meistens, also etwas über drei Stunden, an Ladesäulen gestanden. Während der übrigen Zeit bin ich mit etwa 100 bis 120km/h, kurz auch mal mit 135 bis 140km/h gefahren. Im Schnitt kamen auf dieser Reise knapp 77km/h heraus, sagt der Bordcomputer, aber da sind auch die Stadtfahrten in Hannover in die Berechnung eingeschlossen. Ich bin nicht stromsparend gefahren, sondern so, dass ich möglichst schnell jeweils mit etwa 20km Restreichweite einen der vielen geplanten Ladestopps ereiche.
Viele Ladestopps deshalb, weil Lademöglichkeiten auf dieser Strecke insgesamt zu selten sind. Je weiter man in Richtung Berlin kommt, desto dünner wird leider auch das Angebot. Um einfach so weit zu fahren wie man kommt und dann nach einer Lademöglichkeit zu suchen, ist weder die Jahreszeit ideal, noch die Anzahl und Lage der Ladesäulen ausreichend. In 12 Monaten wird es wohl schon wieder ganz anders aussehen, denn in 2014 ist es ja quasi überhaupt noch nicht unkompliziert möglich gewesen, elektrisch von Berlin nach Hannover zu fahren.
Energie zum Nulltarif, Milchkaffee €2,89
Das ist es, was ich auf dieser Fahrt überwiegend nutzen konnte. Und ich finde, auch dazu sollte man wieder einmal etwas sagen. Der Tag wird selbstverständlich auch mal kommen, an dem sich die Betreiber der Ladesäulen für die Abrechnung des Stroms entscheiden werden. Derzeit lohnt das geringe Fahrzeugaufkommen den Aufwand für die meisten nicht. Zumindest nicht für Stadtwerke, Kommunen, Parkhausbetreiber und Unternehmen ähnlicher Größe. Jedes Abrechnungssystem verursacht ja Kosten. Bei 10 Ladevorgängen im Jahr ist es billiger, den Strom zu verschenken. Aber selbst wenn rund um die Uhr jemand lädt, dauert es unter Umständen seeeeehr lange, bis der Gewinn die Investition und den Betrieb einer Säule amortisiert.
Betreiber wie hier die Firma SAG in Braunschweig, die ihre Ladebox über ein Bezahlsystem öffentlich nutzbar machen, verfügen über günstige örtliche Bedingungen und werden wohl auch eigene Fahrzeuge dort laden.
Wer heute jedoch auf jeden Fall von der Existenz einer Ladesäule in seiner Nähe profitiert, sind Anlieger, die ein Angebot für den Fahrer des ladenden Autos haben. Ich habe daher den Tankstellen, Schnellrestaurants und Backstuben in der Nähe von Ladesäulen bisher weit höhere Gewinne verschafft, als den Unternehmen, die die Säulen aufgestellt haben. Mal ganz davon abgesehen, dass ich dort vermutlich nie hingekommen wäre, hätte selbst die Tankfüllung des Familiendiesels einen geringeren Verdienst generiert. Nach einem Bericht des FOCUS online liegt der Verdienst der Tankstellen je Liter Treibstoff im Jahresdurchschnitt bei etwa einem Cent. Da haben die an einem einzelnen „Milchkaffee, normal“ vermutlich den vier- bis fünfachen Gewinn.
Ladesäule als Geschäftmodell
Das Marketing für Ladesäulen müsste daher viel stärker hervorheben, welchen Nutzen die Installation und der Betrieb für die ansässigen Unternehmen bedeutet, die in der Ladezeit einen Umsatz mit dem Fahrer des Fahrzeuges erzielen können. Natürlich ist eine nennenswerte Kundenfrequenz für einen „Load Stop“ noch Zukunftsmusik: Wenn man derzeit PKW auf einer Strecke von rund 12 Kilometern Stoßstange an Stoßstange aufstellen würde, wäre statistisch gesehen ja nur ein einziges Elektroauto darunter.
Doch immerhin kann dieser stetig wachsende Kundenkreis zur bisherigen Zielgruppe hinzugewonnen werden. Und dieser Kunde sucht die seltene Lademöglichkeit ganz gezielt auf. Nicht mal Werbung muss man für seine Säule machen, die Elektrofuzzis verbreiten deren Existenz ja untereinander verlässlich und schnell. GoingElectric sei Dank.
Da rentiert sich vermutlich sogar irgendwann die Investition für Strom in drei Geschmacksrichtungen, wie hier in Wollin mit angrenzender Fülleinrichtung für fossile Fahrzeuge sowie Schnellbratküche mit Sitzgelegenheiten und Buntfernseher. (Dazu passt thematisch unter Umständen folgender Beitrag: „Neues aus der ElektroCuisine“)
Derzeit leiden die Ladesäulen aber auch in anderer Hinsicht an der geringen Nutzungsfrequenz: Entweder stehen Verbrenner auf dem Platz davor („Hä. Elektroautos? Gibts die denn schon?“) oder die Dinger begehen aus Langeweile softwaretechnisch Selbstmord. Na, der Notarzt aus Magdeburg hat die Säule am Barleber See jedenfalls am Donnerstag erfolgreich wiederbelebt. Sie war am Freitagabend wieder bei vollem Bewußtsein und hat mit mir und der ZOE nett gesprochen. Sprechen ist auch das Stichwort: Redet mit den Betreibern der Säulen, gebt ihnen Feedback und sendet ihnen Vorschläge. Dort denkt man ernsthaft über die Möglichkeiten nach und braucht aber auch Anregungen von den Nutzern. Aber nicht nur meckern. Auch ein freundliches Wort und ein Dankeschön an die Mitarbeiter ist sicher mal willkommen.
Ein wichtiger Aspekt für die Rentabilität einer öffentlichen Lademöglichkeit ist aber auf jeden Fall auch ihre Leistung. Eine Ladebuchse mit 11kW Wechselstrom nutzt eigentlich nur dem, der eine Nacht lang oder den Tag über dort angeschlossen ist. Meiner bescheidenen Meinung nach sollte öffentliche Ladeinfrastruktur mindestens 22kW Wechselstrom haben, um die größte Gruppe von Nutzern abzudecken und lange sinnvoll nutzbar zu sein. Für Gleichstromladetechnik gilt sinngemäß das gleiche, nur sollten hier natürlich immer alle drei Steckertypen vorhanden sein, damit sämtliche elektrischen Automodelle den Ladepunkt verwenden können.
Mein Fazit für diese Fahrt
Die Autobahn mit dem Elektroauto ist eigentlich doof. Außer man kann und will wirklich schnell vorankommen. Das Wollen will man ja vielleicht, aber das Können kann man nicht, ohne oft und lange herumzustehen. Das kann ich dann also auch nicht machen wollen. Oder mal ohne Schopenhauer gesagt: Ich werde beim nächsten Mal probieren, ob eine langsamer gefahrene Strecke (z. B. Landstraße) nicht aufgrund seltenerer Ladestopps insgesamt schneller und sogar schöner ist.
Schneller fahren heißt, oft laden und viel Kaffeetrinken zu müssen. Wobei „schnell“ hier sehr relativ gemeint ist. Klar, 120km/h ist einfach nicht schnell. Punkt. Aber es geht, wenn’s sein muss und ist auf jeden Fall entpannter, als mit nahe 200 einen neuen Streckenrekord aufzustellen. Das muss man auch zugeben. Nach 3 Stunden mit Tempo 110 und drei Stunden Rumhängen an der Ladesäule bin ich frischer als nach nur 2 Stunden linke Spur mit Schnitt 160km/h.
Aber die Zeit muss man eben haben oder sich heutzutage noch nehmen, wenn man elektrisch unterwegs sein will und sich keinen Tesla leisten kann. Ich habe die Wartezeiten für mich ganz gut genutzt: Am Blog geschrieben, „Papierkram“ erledigt und einfach auch mal mit nem Kaffee und einem Buch Pause gemacht.
Den Akku komplett leer zu fahren und sich auf die Zugänglichkeit und Funktion der angepeilten Ladesäule zu verlassen, kann ich heutzutage noch nicht empfehlen. Man sollte zumindest einen Ausweichpunkt in petto haben, den man meinetwegen in Schleichfahrt noch erreichen könnte. Alternative Ladetechnik für die Haushaltssteckdose an Bord ist natürlich auch nicht zu verachten, um zur Not überall mal für ein paar zusätzliche Kilometer laden zu können.
Alternative ECO-Routen ohne Autobahn können unter Umständen die Gesantzeit reduzieren. Man kommt langsamer voran, dafür aber weiter und lädt seltener. Das muss und werde ich bei Gelegenheit probieren. Heizen war für mich kein Problem, der Verbrauch dafür lässt sich verschmerzen – die Wärmepumpe arbeitet offensichtlich sehr effektiv. Interessant ist ebenfalls, wie warm der Akku durch Entladung und Ladung geworden ist, was man natürlich nur ahnen kann. Zum Ende der Rückfahrt war er jedenfalls so warm, dass beim Laden sogar die Kühlgebläse liefen. Der Tipp, den kalten Akku auf der ersten Etappe mit flotter Fahrt aufzuwärmen, werde ich in der kalten Jahreszeit jedenfalls beibehalten.
Wenn ich zweimal die Woche so eine Strecke zurücklegen müsste, dann wäre ein aktuell erhältliches Elektroauto (unter €30.000 wohlgemerkt) für mich nicht das Mittel der Wahl. Aber das wusste ich vorher und ich hätte mich dann wohl auch nicht für ein solches Fahrzeug entschieden. Für diese Fahrt hat es mir ziemlich Spaß gemacht und ich werde wohl auch beim nächsten Mal elektrisch nach Hannover fahren. In den kommenden Wochen liegen die Fahrziele wieder in Berlin und Umland. Das klappt meiner Erfahrung nach mit der ZOE sogar besser, billiger und bequemer als mit einem Verbrenner.