Berlin, März 2014
Nachdem die Bundesregierung schon im letzten Jahr das Ziel verlautbaren ließ, bis zum Jahr 2020 eine Million elektrisch betriebener Kochherde in die Haushalte bringen zu wollen, tut sich nun auch langsam etwas auf dem Küchenmarkt. Zwar sehen die Hersteller von Kochstellen mit konventioneller Energieversorgung derzeit nur geringe Absatzchancen, haben aber nach ersten Studien nun die Serienproduktion von Elektroherden aufgenomen.
Nachfrage bisher zurückhaltend
„Unsere Mitglieder können bisher seitens ihrer Kunden nur eine mäßige Nachfrage bezüglich Elektroherden verzeichnen.“ äußert sich ein Sprecher des Verbandes der Küchenhersteller gestern in einem Interview der Zeitschrift „Herd, Platte und Kochen“. Die Kundschaft sei sich bezüglich der neuen Energiequelle noch nicht sicher, ob damit nicht zu viele Einschänkungen verbunden sind. „Besonders die Frage, wie lange das Kochen dann dauert und ob damit überhaupt jederzeit die Möglichkeit zum Kochen besteht, beunruhigt viele.“ so der Sprecher.
Technikansätze unterschiedlich
Uneinigkeit herrscht innerhalb der Branche auch noch über die Fragen der Anschlussart und des verwendeten Stroms. Während in Deutschland die Hersteller Volksküchen und Bayerische Küchenwerke den Ansatz zum Gleichstromkochen präferieren, hat man sich in Brüssel für die Verwendung von Wechselstrom entschieden. Für Gleichstrom sprechen die theoretisch höheren Leistungen, was die Kochzeit drastisch verringern könnte. Demgegenüber ist Wechselstrom jedoch wesentlich preiswerter zu erhalten. Auch sind die Anschlüsse für Wechselstrom heute bereits in vielen Küchen vorhanden.
BKW h3 mit hochwertiger Ausstattung
„Wir setzen mit dem h3 von vornherein auf ein Konzept, das die Freude am Kochen nicht durch reduzierte Leistung beeinträchtigt.“ lautet das Statement des Vorstandsvorsitzenden von BKW. Mit dem h3 wurden demgemäß völlig neue Wege der Konstruktion beschritten. Neben einer enorm schnellen Aufheizung von 0 auf 100 Grad in unter 7 Sekunden ist auch die Kochleistung beachtlich: Eine mittlere Hammelkeule lässt sich innerhalb kürzester Zeit zu einem Bröckchen Kohle verschmoren. Der h3 verfügt dafür über besonders große Kochplatten aus handgeschmiedetem Elfenstahl. Die Türgriffe sind mit naturbelassenem Wichtelkork aus den südbayerischen Alpen umkleidet und die Ofenklappe öffnet etwas ungewohnt nach oben, um die Entnahme von Guglhupfen zu erleichtern.
Besonders interessant aber ist ein wahlweise erhältlicher Kochzeitenverlängerer, der bei Ausfall der elektrischen Energieversorgung die Wärmeerzeugung übernimmt und mit Klaubholz oder Kuhdung befeuert werden kann.
In der Grundausstattung ist beim BKW h3 allerdings nur ein einphasiger Wechselstromanschluss vorhanden, der lediglich normale Kochzeiten erlaubt. Für das Schnellkochen ist zwar ein Leistungspaket erhältlich, das an eine spezielle Gleichstromleitung angeschlossen werden kann, derzeit sind diese Anschlüsse für normale Haushalte aber leider noch zu kostspielig. Gemeinsam mit der Bundesregierung plant BKW jedoch Modellversuche mit Gleichstromanschlüssen in Haushalten rund um den Starnberger See.
Volksküchen eher bieder
Der bereits seit dem Jahr 2012 mit Torfheizung gebaute VK ab? ist als e-ab? eher unauffällig und sachlich gestaltet. Die Materialien sind schlicht, aber wertig, und entsprechen dem vom typischen VK-Kunden gewünschten Erscheinungsbild. Die wenigen Metallteile sind matt gebürstet, die übrigen Flächen einheitlich lackiert. Er ist etwas schmaler und kürzer als der BKW und bietet daher einem Topf weniger Platz. Allerdings bringt auch er souverän Wasser zum Sieden und ein Schnitzel zum Brutzeln, nur in etwas längerer Zeit.
Bei der Bedienung besticht die Einfachheit, erst auf den zweiten Blick erkennt man an kleinen Details die neue Energiequelle. Leicht nostalgisch, aber witzig, wirkt der als Stilmittel mitgelieferte Torfstecher und selbst die Ascheklappe des konventionellen e-ab? ist noch vorhanden. Allerdings verbirgt sich nun dahinter die neue mehrstufige Temperatursteuerung und der Kochcomputer mit ab Werk 112 Rezepten für Wolfsburger Krötensuppe.
Auch beim e-ab? ist serienmäßig nur der einphasige Anschluss an Wechselstrom möglich. Mit einem Kabel für die heute schon verbreiteten Herdsteckdosen verringert sich die Zeit zum Aufheizen dann etwa um ein Drittel. Erst gegen einen Aufpreis ist wie beim h3 ein Gleichstromanschluss möglich, der dann dieselben Aufheizzeiten wie beim BKW ermöglicht. Alles in allem eine solide Konstruktion, wie man es von Volksküchen gewohnt ist. „Wir sind mit unserem ersten elektrischen Serienmodell durchaus zufrieden.“ sagt der Konzernchefkoch. Schon im Frühjahr sollen weitere Herde folgen, darunter auch ein Hybrat-Modell des beliebten VK Wolf mit Namen KTE.
Erfolgsmodell aus Japan
Der weltweit inzwischen meistverkaufte Elektroherd ist allerdings der Ninjan Meat, der als drittes Modell auf Schnellheizung mit Gleichstrom setzt und im Normalmodus nur langsam warm wird. Hier ist jedoch bereits ab Werk alles an Bord, um die gewünschte Anschlusstechnik zu verwenden. Leider sind die verwendeten Steckdosen für Gleichstrom in Europa sehr rar, was seine Verbreitung hierzulande wohl eher einschränkt.
Von den drei bisher beschriebenen Herden hat er die größte Kochfläche und ist in verschiedenen Austattungsvarianten zu haben, die jedoch in der Wertigkeit der Materialien nicht an BKW oder VK heranreichen. Auch das Design wirkt nicht besonders aufregend, dafür serviert der Meat aber während des Aufheizens automatisch eine Tasse Tee und spielt dabei japanische Zupfgeigenmusik.
Ob kandierte Fischaugen, geschmorte Walleber oder ein zünftiges Quallenrisotto – mit dem Meat ist alles möglich. Allerdings verlangt die Bedienung der sprachgesteuerten Kochautomatik etwas Gewöhnung, muss sie doch in japanisch erfolgen. Da ist auch die von oben nach unten hübsch gepinselte Bedienungsanleitung auf Basis winziger Ideogramme nicht wirklich hilfreich.
Dennoch ist der Ninjan Meat ein mit recht so verbreitetes Modell, das alle Anforderungen an einen guten Elektroherd erfüllt. Unverständlich bleibt, dass die japanische Herdindustrie nicht mehr Lösungen präsentiert und ihren technologischen Vorsprung nutzt, den sie mit mit den erfolgreichen Hybrat-Modellen hatte – einer Kombination aus Wasserkocher und Bratofen.
Modelle aus Frankreich
Die französischen Hersteller, die sich zeitweilig sogar als die Erfinder des Kochens rühmen, könnten gleich eine ganze Großküche mit verschiedenen Modellen versorgen.
Dabei hat der Limonë-Konzern das Modell L-Nüll gemeinsam mit dem japanischen Partner Mutzikochi entwickelt. Dort heißt es e-Muffli, was im deutschen Sprachraum eher anrüchig klingt und nicht sehr erfolgreich ist. Die recht hohen Zulassungszahlen sind vor allem auf den Einsatz als Mietküche und im Kitchen-Sharing zurückzuführen. Dank seiner schmalen Bauweise lässt sich der L-Nüll auch in kleinen Küchen oder hinter der Tür einsetzen. Die Anschlusstechnik entspricht recht genau der Lösung des Ninjan Meat, bietet dieselben Koch- und Aufheizzeiten und verwöhnt mit einer Tasse Tee, allerdings hier mit Lavendelaroma.
Dagegen setzt der Mitbewerber Laurent mit seiner Eve einen anderen Akzent. Dieser Herd ist sehr auf das junge Publikum zugeschnitten, besticht mit Touch-Bedienung, niedrigem Preis und einem schicken Design. Erstaunlich ist der voluminöse Backofen und die serienmäßig integrierte Möglichkeit zum Schnellkochen. Fünf Kochplatten und je nach Modell entweder eine Topfkamera oder eine Würzautomatik erhöhen die Praxistauglichkeit weiter.
Hiermit kocht es sich nicht nur sehr ordentlich für die unmittelbare Nachbarschaft, sondern es lässt sich auch einmal eine umfangreichere Speisenfolge zaubern. Mit dem variablen Stromanschluss wird die Eve zur Schnellküche.
Weitere Modelle aus demselben Hause setzen ähnlich wie bei VK auf bewährten Konstruktionen mit konventioneller Wärmequelle auf. So gibt es neben einer Feldküche für den gewerblichen Koch auch eine eher biedere Lösung für klassische Eintöpfe und Braten, die aber nicht recht überzeugen kann.
Erwähnt werden muss aus dem Hause Laurent natürlich auch noch der Wuzzi, eine Art elektrischer Campingkochtopf. Ohne Deckel und mit nur zwei Kochstellen kann man man hiermit vielleicht mal eine knusprige Sozia anbraten oder rasch ein Paar kalte Froschschenkel bekommen. Für ersthaftes Kochen ist der Wuzzi dann doch wohl eher nicht gedacht.
Noch fehlt die Akzeptanz
Alle Herde haben jedoch eines gemeinsam: Ihre erfolgreiche Verbreitung hängt maßgeblich von der Akzeptanz des elektrischen Stroms als Energieträger ab. Viele Kunden befürchten heute noch einen faden Geschmack der Speisen, wenn der Herd nicht mit kräftig rauchendem Scheitholz, würzigen Dungfladen oder wenigstens sämigem Tran betrieben wird.
Daher hat die Bundesregierung ein umfangreiches Förderungspaket bereitgestellt: Insgesamt 140 Millionen Euro an Mitteln für die Forschung und Entwicklung von Strategien zur schnellen Einführung des Elektrokochens warten auf den Einsatz. Es wurden 5 Regionen als „Schauküche Elektrokochen“ definiert, in denen Modellprojekte bereits angelaufen sind.
Untersucht werden derzeit strittige Themen wie die Verträglichkeit von Elektrokochen mit Tischdekoration aus Wachskerzen oder die Frage, ob durch die flammenlose Kochstelle nicht die Gefahr schmerzhafter Verbrennungen ansteigen könnte. Auch die Auswirkung von Elektroherden auf das durchschnittliche Körpergewicht der Verköstigten in sozialen Einrichtungen bedarf der genauen Betrachtung und verspricht wichtige Erkenntnisse für zukünftige Entwicklungen.
Es bleibt zu hoffen, dass sich die neue Technik möglichst bald einer größeren Resonanz erfreut und weitere Modelle hinzukommen. Schließlich könnten dann stinkende Dunghaufen, sperrige Scheitholzstapel oder fischige Tranfässer bald der Vergangenheit angehören. Mal ganz abgesehen von Aschebergen und Teerpfützen als Rückstände intensiver Kochtätigkeit.
Na Mahlzeit!
Merci, René
, für den Kommentar und auch für die Aufnahme in Deinen Blogroll schon vor langer Zeit. Meine Revanche kommt reichlich spät ist nun aber endlich auch unter Elektrische Foren, Blogs & andere Medien zu finden.
Viele Grüße und jederzeit „Watt You Need“!
KLASSE!! Ich bin sehr gespannt auf den kostengünstigeren amerikanischen Volksherd und hoffe dass bis dahin die einheimischen Hersteller ein Einsehen haben und auch ernsthaft die neue Technologie fördern.
Weiter so!
Grüße
Ralf
P.S. Wir haben es verlinkt im elweb und auch bei den Priusfreunden
Sehr gut! 🙂
wunderbare parabel
gefällt mir
Auch wenn klar ist, dass es keine amerikanische Küche gibt, sollte doch El-satt, der Newcomer im Herdmarkt, nicht unerwähnt bleiben. Hervorzuheben ist hier die konsequente Ablehnung von Torf-, Dung- und Hybrat-Konzepten, sowie das Engagement des Herstellers bei der flächendeckenden Bereitstellung von sogenannten Superbrätern, die selbst das Großküchenmodell in wenigen Minuten betriebsbereit aufheizen.
Jawohl, völlig richtig, Dexter. Danke für den Hinweis. Der El-satt quasi als Premium-Version dieser neuen Technik darf einfach nicht fehlen. Ich bin schon sehr gespannt auf das Modell El-satt X, das ja mit Vorder- und Hinterhitze punkten wird. Auch das Design der Backofentüren finde ich dort besonders pfiffig. Da gelingen knusprig goldene Falconwings sicher im Nu.
Schade, dass El-satt in letzter Zeit mehrfach durch stärkere Qualm- und Rauchentwicklung aufgefallen ist und die Häme der Petroleumkocher-Enthusiasten befördert hat. So hatten wir uns das ja mit den Superbrätern nicht vorgestellt…
Genial, besser gehts nicht! Weiter so!
Echt köstlich !