Wer in diesem unseren Lande an öffentlichen oder zumindest öffentlich zugänglichen Ladesäulen sein Auto laden möchte, muss sich heute noch ausgiebig vorbereiten. Es ist nicht von sich aus klar und verständlich wie das Ganze funktioniert. Da mischen Politik und Konzerne mit, es gibt Kooperationen, private oder gewerbliche Initiativen und auch kostenlose Offerten von Firmen und Organisationen. Immerhin bieten alle Versorger an ihren Ladesäulen Strom aus erneuerbaren Energien an. Manche sind sogar ausschließlich an ihrer Produktion beteiligt.
In der Hauptstadt der Elektromobilität
In Berlin heißt der Netzbetreiber derzeit Vattenfall. Da wäre es ja irgendwie naheliegend, dass er mit freundlicher Unterstützung des Bundes und der Länder einfach mal die Stadt mit Ladesäulen gepflastert hat. Und dann kommen tausende von leisen Elektroautos und man sieht mal, quasi wie in einem Schaufenster, wie das so geht.
Ist aber nicht so. Erst einmal verfügt RWE im Stadtgebiet offensichtlich mal über die deutlich größere Zahl von Säulen, Vattenfall hinkt hinterher. Eine Kooperation beider Unternehmen ist augenscheinlich nicht beabsichtigt. Der Rhein und der Wasserfall sind offenbar nicht kompatibel zueinander. Ist beides zwar naß, hat aber eine unterschiedliche Fließrichtung.
Jedenfalls kann man bei dem einen, nämlich RWE, einfach sein Smartphone mit einer App benutzen, um den vorher vertraglich vereinbarten Strom aus der Säule zu locken. Auch ein simpler Anruf geht, man muss nur ganz leise seine Passwörter durchsagen, dann gibts Saft. Vor den Säulen ist übrigens in Berlin Halteverbot für alle, bei denen kein Kabel raushängt.
Oder auch so: Meines Wissens sind RWE die einzigen, die derzeit ein SMS-Bezahlsystem haben. So wurde mir ohne Voranmeldung das erhebende Gefühl des ersten geglückten Ladevorgangs zuteil. ZOE und ich fanden es beide sehr schön…
Vattenfall möchte auch eine Anmeldung. Dann gibt es eine Ladekarte, die die Säulen öffnen soll und den Nutzer erkenntlich für die Abrechnung macht. Man erhält auf der Website detaillierte Informationen dazu und auf mein E-Mail mit einer Frage rief quasi unverzüglich ein sehr freundlicher Mitarbeiter von Vattenfall zurück. Aber beim Auftragsformular bekommt man den Eindruck, dass das Ganze irgendwie noch provisorisch ist. Ich bin gespannt, ob ich jetzt eine Ladekarte bestellt oder ob ich unbeabsichtigt alle Haushalte meiner Straße bei Vattenfall angemeldet habe…
Leider stehen die Säulen von Vattenfall oft nicht so günstig. Entweder einfach irgendwo auf dem Bürgersteig mit dem Berlin-typischen Dauerparker davor. Oder hinter einer Schranke, die nach Geschäftschluss leider zu ist.
Terra incognita
Hmmm, da muss die Uni wohl erst mal gründlich untersuchen, warum an diesen Säulen so selten einer lädt. Kann man bestimmt als kompliziert klingendes Projekt formulieren: „Langzeitstudie zur Verifikation der Negativnutzung exponierter, nicht reservierter energetischer Ladevorrichtungen im Rahmen des Schaufensters „Elektromobilität – Berlin/Brandenburg“. Oder so. Dafür könnte man doch schon, sagen wir mal, 2 Millionen Euro an Fördergeldern sinnvoll einsetzen, oder? Forschung macht so einen Spaß. Wer reale Beispiele für solche Projekte sehen möchte, kann mal hier schauen. Manche davon haben nicht einmal einen Link.
Ich will ja nicht behaupten, dass Forschung generell unsinnig ist. Lieber erst einmal gründlich über etwas nachdenken, bevor man blindwütig anfängt und herumprobiert. Aber hier ist doch inzwischen eigentlich die Richtung klar und der Bedarf gut erkennbar. Lademöglichkeiten schaffen Akzeptanz für Elektrofahrzeuge. Und übrigens: Man muss E-Mobile nicht unbedingt in der City laden. Auch am Rand einer Großstadt wie Berlin gibt es Zentren und Flächen, die sich eignen. Vielleicht sollte man einfach mal Städteplaner und Stadtentwickler fragen. Wenn da mal eine Säule zu einsam steht, wäre es schließlich auch kein Drama.
Denn als „unbekanntes Land“ könnte man Berlins Außenbezirke sowie die nähere und weitere Umgebung schon bezeichnen. Offenbar ist die Gegend noch nicht genügend erforscht. Dort wird es nämlich merklich dünner mit dem Angebot an Ladesäulen. Und das, obwohl man aus der Stadtmitte bis zum Rand locker mal 20km unterwegs sein kann.
Hinter der Stadtgrenze ist dann abrupt Schluss mit der Ladeinfrastruktur. Das gibt’s ja sogar als Lied. „Nimm Strom mit, fährst du nach Brandenburg…“ oder so ähnlich singt Rainald Grebe. Ziemlich leeres Schaufenster. Und dabei ist Brandenburgs Slogan „Offen für…“, ja nicht für Elektroatos möchte man meinen. Eigentlich komisch. Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein haben doch Windkraft und auch Photovoltaik bis zum Abwinken – aber für Elektroautos wollen sie den Strom irgendwie wohl nicht nutzen. Jedenfalls nicht an öffentlichen Ladesäulen. Auch Richtung Süden ist’s Essig damit – wo man den doch viel schöner für die Spreewaldgurken nutzen könnte.
Nun, ein paar Firmen, Privatleute, Hotelbesitzer, Stadtwerke etc. fördern in Eigeninitiative die Elektromobilität mit Steckdosen und -döschen. Immerhin und dankenswerterweise.
Freiwillige Sponsoren
So bietet der ADAC deutschlandweit schon seit 2011 kostenlose Lademöglichkeiten an vielen Geschäftsstellen auch für Nichtmitglieder an. Die Säulen sind von RWE, die Freischaltung erfolgt über Mitarbeiter in den Geschäftsstellen. Ein Kabel mit Typ 2 Stecker kann man auch dort ausleihen. Das ist doch nett.
Der Elektrogroßhandel Obeta hat ebenfalls an vielen Filialen kostenlose Lademöglichkeiten für seine Kunden. Das macht Sinn, denn überwiegend die ansässige Elektrobranche dürfte in den nächsten Jahren ja vor allem die private Ladeinfrastruktur aufbauen. Ich bin sicher, wer freundlich fragt, bekommt auch als Nichtelektriker mal was auf den Akku. Denn immerhin ist er oder sie ja mit dem E-Mobil umsatzsteigernd für die Branche tätig.
Dann liest man von Schnellrestaurants, die Ladesäulen zum kostenlosen Laden anbieten, während man an seinem Big-, Double-, XXL-, Kids- oder Veggie-Menü mampft. Warum nicht. Bloß auch hier erzählen die Insider von ahnunglosen Mitarbeitern („Hä, welche Ladesäule, für watt’n?“) oder technischen Defekten („Kalte Pommes nach Stromausfall durch stromhungriges E-Auto!“). Applaus für die gute Absicht, aber wendet mal dieselbe Qualitätssicherung an, wie sonst in euren Unternehmen üblich. Vermutlich gabs aber einfach keine Elektroautos zum Testen.
Weitere Initiativen gibt es von IKEA, Toom Baumarkt und anderen, ihre Kunden mit Ladestrom zu versorgen und die eigenen Ladestationen auch für eine Firmenflotte zu nutzen. Weitere Hinweise sind willkommen!
Auf staatlicher Ebene scheint sich die Gestaltung derzeit eher auf, na ja, sagen wir mal schwer nachvollziehbare Grundlagenforschung zu beschränken, besonders, je weiter man sich von Berlins Zentrum entfernt. Statt zügig eine Infrastruktur aufzubauen, die den Elektromobilisten auch hier im Osten der Republik eine größere Reichweite unkompliziert möglich macht.
Da hat es der Westen schon besser
Ist ja fast wie früher, könnte man denken… Die Anbieter sind hier zu einem großen Teil Stadtwerke, die z. B. im Ladenetz.de ihr Ladeangebot zu einer beachtlichen Kooperation zusammenfasst und mit einer Ladekarte zugänglich gemacht haben.
Bevor ich mich mit dem Thema beschäftigte, bekam man übrigens die Ladekarten von Ladenetz.de umsonst und den Strom dazu auch gleich. Hatte ich zumindest so gehört. Als ich vorsorglich auch einen Antrag zum nächstgelegenen Mitglied, den Stadtwerken Brühl, geschickt habe, musste man mir aber leider absagen. Pech. Dabei liegt Brühl bei mir ganz um die Ecke – und dann 600km geradeaus. Nun überarbeitet man dort die Vertragsbedingungen.
Aber während ich hier schreibe und nebenher auf den Websites recherchiere, da hat sich die Welt doch schon wieder verändert! Sieh mal an, Vattenfall ist nun auch offiziell Partner von Ladenetz.de und weiteren Anbietern auch in Nachbarländern. Der freundliche Herr P. hatte mir das für sein Unternehmen Vattenfall neulich schon verraten. Nun stehen die neuen Partner aber auch auf der Website von Ladenetz.de, allerdings gut versteckt unter der Karte der Standorte.
Was gibts im Westen sonst neues? Na, RWE fährt überall voRWEg und hat wohl bundesweit 50 Stadtwerke als Partner. Damit kommen sie auf 1.700 Säulen im Lande. Und E.ON? Ja, die finden Elektromobilität auch ganz prima. Und sind da auch sehr für. Man kann dort immerhin schicke Wallboxen kaufen. Vieleicht kooperieren sie total geheim mit jemandem, wer weiß. Die Website war jedenfalls wohl zu voll für diesbezüglich konkretere Infos.
EnBW hat gleich zwei, nein drei Tarife: Für zwei und vier Räder, Prepaid und mit Vertrag. Aber auf jeden Fall nicht ganz billig. Und wer durch das Tarifmodell durchblickt, schickt ’ne Mail, bitte. Und dann erklärt er es mir, ja? Wie hieß der Slogan doch gleich: „Wir können alles. Außer einfach?“ Ich glaube ab 2016 gibt es an der Uni Stuttgart sogar einen Studiengang exklusiv für „EnBW-Elektronauten“. Na, dafür suche ich sogar noch mal mein Abizeugnis raus. Hoffentlich reicht mein Durchschnitt für den NC.
In Südbaden engagiert sich dann noch EnergieDienst mit NaturEnergie und … ja, sie haben ihre eigene „Stromtankstellenkarte“. Mit bis auf weiteres kostenlosem Strom aus Wasserkraft rund um den Schwarzwald. Ich freue mich schon auf die Fahrt dorthin. Im Laufe des Jahres 2014 sollen dann dann EC-Kartenleser in den Säulen die Bezahlung ganz einfach machen. Die ZoePionierin hat kürzlich über die feierliche Eröffnung der ersten neuen Ladesäule berichtet und auch eine Ladekarte verliehen bekommen.
Neue Geschäftsfelder entstehen
Neben der unmittelbaren Versorgung mit Elektroautos, Lademöglichkeiten und Strom gibt es aber auch schon Unternehmen, die ihre Aufgabe in der Förderung der Elektromobilität sehen. Ihr Schwerpunkt ist die Kommunikation und sie versuchen, die verschiedenen Interessen zusammenzubringen. So ist das Ziel von TheNewMotion mit seiner LoveToLoad-Ladekarte die Ladetechnik in Deutschland mit einer einzigen Karte zugänglich zu machen. Durch die jüngst vereinbarte Kooperation mit Ladenetz.de und deren Partnern sollte ihnen ein großer Schritt in diese Richtung gelungen sein.
Grundsätzlich ist hier die Idee, ein Abrechnungsverfahren zu schaffen, das dem Stromkunden den bezogenen Strom in Rechnung stellt und gleichzeitig dem eventuell privaten Besitzer einer Ladebox den gelieferten Strom vergütet.
Obwohl TheNewMotion hier bei uns im Osten sitzen, haben sie ebenfalls beste Kontakte in die Niederlande und nach Belgien. Und die haben dort Ladesäulen! Ich glaube neben jedem Coffeshop und an jeder Frittenbude steht eine. Mit der LoveToLoad-Karte kann ich da jetzt fast überall laden. Doll, doll, doll und auch supi, Meneken!
Mal sehen, wie und ob das Ganze tatsächlich funktioniert. Derzeit fährt man elektrisch wohl noch besser, sicherer und überhaupt, wenn man einen ganzen Satz Karten und Möglichkeiten dabei hat… Ein wenig unüberschaubar ist das Ganze in dieser Phase also und sehr in Bewegung. Es bleibt eine Menge Unsicherheit, vor allem, wenn auch noch unterschiedliche Zugangszeiten und Berechtigungssysteme die Lademöglichkeit begrenzen. Das muss für die breite Masse aber deutlich einfacher werden, damit Elektromobilität ihre Attraktivität steigern kann.
Und es wäre jetzt hilfreich, wenn Wirtschaft, Politik und die Öffentlichkeit überhaupt, den tapferen Pionieren der Elektromobilität ein wenig unter die Arme greifen würden. Hier geht es schließlich um die Einführung einer Technologie, die für die ganze Gesellschaft viele Vorteile bringt. Da kann man ja wenigstens mal die Parkplätze vor den Ladesäulen frei halten.
Laternenparker
Hier noch ein Nachtrag vom 16. März: Da erfahre ich doch so nebenbei, dass ein lieber Kunde von mir an ubitricity beteiligt ist. Das 2008 gegründete Unternehmen möchte unter anderem zum Beispiel Lichtmasten mit Systemsteckdosen ausstatten, an denen das mit einem Zähler versehene spezielle Anschlusskabel das Laden möglich und abrechenbar macht. Welchen Strom man da bezieht, soll man also selbst entscheiden können und auch der ggf. private Betreiber einer solchen Dose muss nicht fürchten, auf seinen Kosten sitzen zu bleiben.
In dieser Hinsicht gleicht das Prinzip dem von TheNewMotion, geht aber technisch einen ganz anderen Weg.
Gar keine schlechte Idee, finde ich, wenn man vor allem an die vielen Autofahrer denkt, die keinen festen Stellplatz ihr eigen nennen können. Allerdings ist das Konzept natürlich zumindest derzeit noch auf geringe Ladeleistungen während längerer Standzeiten ausgelegt. Das passt jedoch zu vielen Fahrzeugen, dem typischen Ladevorgang in der Nacht und während der Arbeit und natürlich zu den eher niedrigen Stromstärken an öffentlichen Beleuchtungseinrichtungen.
Da jedoch Typ2-Steckverbindungen zum Einsatz kommen, sind grundsätzlich auch Schnellladungen denkbar und das System natürlich auch in Parkhäusern, Einkaufzentren usw. anwendbar.
Weiter im Thema geht’s hier: Ladekarten-Quartett