Tja, wenn man erst mittags losfährt und bei jedem Ladestopp die Zeit verplaudert, dann wird es Abend bis man ankommt… Allerdings hat man unterwegs dann eben auch viel Spaß mit netten Leuten und kommt in den Genuss so schöner Sonnenuntergänge, wie hier zwischen Priwall und Travemünde.
Entlang der Ostseeküste
Von Rostock aus führt die Eco-Route Richtung Wismar kurz über die Autobahn A20 und dann über eine unerwartet kurvige und hügelige Strecke am Rand der Mecklenburgischen Schweiz, die auch mit einem Motorrad viel Spaß machen würde. Allerdings wird auch der Verbrauch etwas höher, wie die Anzeige der Restreichweite sofort vermittelt. Inzwischen ist aber das Vertrauen in Rekuperation und Akkukapazität so gefestigt, dass dies keine Sorge mehr bereitet.
Schließlich stellt sich dann aber doch die bange Frage, wie lange die Fähre zwischen Priwall und Travemünde an diesem Tag denn fährt. Und bei der Ankunft sieht es dann erst einmal nicht so gut aus. Kein Fahrzeug weit und breit, kein Personal im Glashäuschen, nur noch ein paar Spaziergänger, die übers Wasser schauen – von einer Fähre gar nicht zu reden.
Erleichterung folgt, als sich am gegenüberliegenden Ufer ein größeres Wasserfahrzeug in Bewegung setzt. „Wir fahren die ganze Nacht über. Das macht dann vierfünfzig, bitte.“ erklärt der Mitarbeiter der Lübecker Verkehrsbetriebe. Abends werde dann nur noch mit einer Fähre gefahren, daher der zeitweise leere Anleger.
Nun ist es nicht mehr weit bis Timmendorfer Strand, wo nach einigem Herumsuchen die RWE-Ladesäule lokalisiert werden kann. Zack, die letzte Ladung für heute läuft mit 22kW und soll in 55 Minuten erledigt sein.
Der mit der ekWh-App ausgelöste Ladevorgang ist neben dem Fahrpreis für die Fähre und den 50 Cent Parkgebühr in Rostock übrigens die erste Ausgabe, die für diese Fahrt anfällt. Das wiegt zwar den Mehrpreis der ZOE gegenüber einem Verbrenner nicht auf, lindert aber enorm den Schmerz – vor allem bei aktuellen Spritpreisen um die €1,66!
Ja und dann geht’s los zur letzten Etappe über etwa 70 km. Um kurz nach halb Zwölf rollt das Auto auf den Parkplatz für die Nacht. Statt dreieinhalb bis vier Stunden mit dem Verbrenner über die Autobahn hat der Spaß gut drei Mal so lange gedauert. Selbst wenn man die reinen Fahrt- und Ladezeiten addiert sind es noch etwa achteinhalb Stunden.
Tour oder Tortur?
Fazit dieser ersten Reise mit der ZOE: Problemlos, entspannt und ohne echte Einschränkungen ist das elektrische Fahren auch über weite Strecken möglich. Voraussetzung dafür sind entsprechend gelegene Ladepunkte und eine passende Ladetechnik im Fahrzeug.
Alle 120 bis 130 km eine knappe Stunde Pause zum Laden einzulegen, macht die Fahrt keineswegs unangenehm. Eher im Gegenteil: Aus einer Fahrt von A nach B über relativ anonyme Autobahnen wird vielmehr eine Reise durch die Landschaft und durch Orte, die immer wieder anders sind. Natürlich dauert das seine Zeit, aber die entschleunigte Fortbewegung hat ihren besonderen Reiz.
Wer es eilig hat und möglichst schnell an seinem Zielort ankommen möchte, dem stehen andere Mittel zur Fortbewegung zur Verfügung. In diesem Fall wäre der Weg jedoch von nachrangigem Interesse und auch ein wenig Stress beim Ein- und Auschecken im Flughafen, bei der Anfahrt zum Bahnhof oder eben auf der linken Spur der Autobahn ist dann natürlich erträglich.
Wer aber zum Beispiel wandert, mit dem Rad oder Motorrad fährt, schon mit einem Segelboot unterwegs war oder gerne mit dem Cabrio mal durch die Landschaft cruised, der schätzt an der Fortbewegung nicht in erster Linie die Geschwindigkeit, mit der er eine Strecke bewältigt. Vielmehr liegt für ihn der Sinn und Zweck in der Tätigkeit, in der Fortbewegung selbst: zu Fuß oder mit dem gewählten Fahrzeug. Dennoch möchte er trotzdem irgendwo ankommen, das steht außer Frage. Aber wer hat eigentlich festgelegt, dass Autofahren nur Freude macht, wenn es schnell vonstatten geht?
Weiße Flecken
Eine Aufgabe bleibt für den elektrischen Wanderer jedoch noch zu lösen: Was tut er, wenn am Zielort zwar eine schöne Landschaft und jede Menge touristischer Attraktionen existiert, aber dort über das Angebot von Lademöglichkeiten bisher nur intensiv nachgedacht wird?
Jedenfalls sollte er nicht unbedingt darauf warten, dass die regionale Politik spontan für Abhilfe sorgt. Vielmehr tut er gut daran, für den Aufenthaltsort eine Lademöglichkeit mitzubringen. Das wird in der Regel eine Technik sein, die sich an verschiedene Bedingungen vor Ort anpassen lässt.
Zum Beispiel würde ein von Renault als Notladekabel bezeichnetes Zubehör diese Aufgabe erfüllen. Es kann dann bis zu 2,3kW aus üblichen Schukosteckdosen ziehen und ZOEs Ladetechnik den benötigten Strom anbieten. Da an der Küste Campingplätze, Wohnmobilstellplätze und Jachthäfen nicht selten sind, wäre ein Kabel mit blauem CEE-Stecker ebenfalls sinnvoll. Diese auch „Campingstecker“ genannte Verbindung kann auf Dauer mit 16A belastet werden und damit rund 3,7kW leisten.
Nicht billig und etwas voluminöser sind mobile Ladeboxen von diversen Herstellern, die primär an so ziemlich alle üblichen Wechselstromquellen angesteckt werden können und sekundär die normale Typ 2-Steckdose bieten. Damit lassen sich je nach Stromquelle sogar bis zu 43kW Leistung zum Laden bereitstellen.
Da dies ein erster Versuch ist und Erfahrungen gesammelt werden sollen, ist es sehr erfreulich, ein Ladekabel ausgeliehen zu bekommen. Vielen Dank an dieser Stelle in Richtung Peter W. von Renault und Andreas S. von Paech Elektro für ihre freundliche Unterstützung!
Anschlusssuche
Wenn dieser einfachen Aufgabe eine eigene Überschrift zukommt, wird sich jeder Leser denken können, dass es wohl doch nicht so einfach war. Tatsächlich werden die ersten Versuche direkt am Stellplatz des Fahrzeugs nach wenigen Sekunden mit einem rot blinkenden Autosymbol quittiert. Nix ist mit Laden.
Aber dies wäre kein Campingplatz, wenn sich nicht sofort 27 Camper fänden, die an einer Lösung tüfteln. Vor allem der Inhaber des Platzes, ein gelernter Elektroinstallateur, ist bei seiner Berufsehre gepackt. „Gibt’s ja gar nicht. Ich komm‘ gleich mal.“ spricht er und rückt mit Messgerät und Alternativen an. Schließlich wird alles gut: Die Steckdose in der Werkstatt liefert offenbar bei 230V Spannung die gewünschten 10A Stromstärke, und das ohne Fehlerstrom.
Mit 2,3kW dauert es natürlich eine Weile bis 100% Akkuladung erreicht sind. Aber Zeit spielt ja jetzt keine Rolle mehr. Einige Tage danach wird der Test wiederholt. Das Ergebnis bleibt dasselbe: Von drei CEE-Steckdosen am Stellplatz funktioniert nur eine so, dass die sensible Ladetechnik der ZOE nicht mehr ständig abschaltet. Vermutlich schwankt die Spannung, wenn Last anliegt, zu stark. Glaubt man der blinkenden Leuchtdiode, muss es dann zu einem Fehlerstrom kommen. Mit 8A geht es zwar eine ganze Weile gut, dann häufen sich aber wieder die Unterbrechungen.
Kurz gesagt, man sollte und kann sich bei Hausinstallationen nicht sicher sein, dass sie problemlos funktionieren. Was ein Bügeleisen oder auch einen PC bezüglich der Netzqualität störungsfrei funktionieren lässt, wird von der Ladeelektronik eines Elektroautos offenbar nicht immer toleriert. Hier kann allerdings nur für die ZOE in Verbindung mit den gezeigten Siemens-Kabel gesprochen werden. Eventuell sähe das mit dem Z.E.-Kabel von Renault dann doch noch etwas besser aus. Andere Fahrzeugtypen, die über vergleichbare Kabel laden können, verhalten sich möglicherweise wieder ganz unterschiedlich.
Eine kleine Anekdote am Rande zeigt, wieviel Unterstützung man von Anderen beim Thema „Laden eines Elektroautos“ bekommt. Nach einer Mail an die Redaktion des Fehmarnschen Tageblattes mit der Frage, ob sich denn seit einem Bericht von Februar 2013 über das erste Elektroauto auf der Insel bezüglich Lademöglichkeiten etwas getan habe, passiert folgendes:
Eine Redakteurin ruft kaum eine Stunde nach Absenden der Mail zurück. Sie hat inzwischen den Eigentümer des Elektroautos aus dem damaligen Beitrag kontaktiert, den Besitzer der Familien-Pension Lindenhof. Dieser hat spontan angeboten, die ZOE am Stromanschluss für das eigene Auto laden zu lassen. Diese Hilfsbereitschaft ist doch klasse und verdient Erwähnung!
Das persönliche Fazit dieser Reise: Elektrisch Wandern ist großartig und eine prima Gelegenheit, Land und nette Leute kennenzulernen. Mit einer flexiblen Ladetechnik wie an Bord der ZOE ist es rein elektrisch möglich und macht einen Riesenspaß.