Das in Europa und auch in Deutschland beliebteste Elektroauto Renault ZOE legt seit dem Pariser Autosalon 2016 noch einen Zahn zu. Und dies nicht als netter Konzeptentwurf für irgendwann später einmal, sondern für jetzt gleich: Das neue Modell (R400) mit einem 41kWh Akku kann ab sofort bestellt werden!
Damit verdoppelt sich die realistische Reichweite der ZOE auf 300km. Die Distanz zwischen Hannover und Düsseldorf, Berlin und Hamburg oder Nürnberg und Leipzig wird nun ohne Zwischenladung und mit einer angemessenen Reserve möglich. Was aber noch wichtiger ist: Das in manchen Regionen immer noch etwas löcherige Netz von Schnellladesäulen ist mit der höheren Reichweite entschieden besser und entspannter nutzbar. Längere Fahrten lassen sich so viel leichter planen und durchführen.
Alltagstauglichkeit erhöht?
An sich ist eine solche Akkukapazität für die täglichen Fahrten der meisten Autofahrer überhaupt nicht relevant. Sie stellt allerdings für viele noch zögerliche Umsteiger einen entscheidenden Faktor dar: Zu hartnäckig hält sich die Vorstellung, dass man mindestens für einen Tag auf der Autobahn Treibstoff im Fahrzeug haben muss, um nicht als grinsende Trockenmumie am Rand der Fahrbahn zu enden. Da sind 400 Kilometer Reichweite nach NEFZ-Norm schon einmal eine beruhigende Verbesserung.
In der Praxis des typischen PKW-Nutzers sind tatsächlich jedoch tägliche Distanzen von 40 bis 50km die Regel. Das klappt bereits mit den heute üblichen kleineren Akkus sehr, sehr gut. Die mit dem neuen Akku größere zur Verfügung stehende Energiemenge macht es nun aber durchaus möglich, auch auf längeren Strecken besser voranzukommen. Doch Faktoren wie Fahrgeschwindigkeit, Wind, Steigung und Temperatur beinflussen die Reichweite beim Elektroauto weiterhin sehr, so dass NEFZ-Angaben noch viel weniger Realitätsnähe haben, als bei anderen Antrieben. Echte 200km bei „höherer“ Geschwindigkeit von 120 bis 130km/h dürften aber nun ebenso drin sein, wie Etappen von 250km bis 350km bei entsprechend sparsamer Fahrweise. Für „schneller und weiter“ braucht es jedoch noch größere Akkus, wie zum Beispiel beim Opel Ampera-e oder den Tesla Modellen.
Bei der ZOE liegt der Verbrauch im „erfahrenen“ Durchschnitt bei etwas über 14kWh auf 100km. Etwa dasselbe wird bei einer typischen E-Autobahnfahrt zwischen Berlin und Hannover im Bordcomputer angezeigt. Niedrigerer und höherer Stromverbrauch sind natürlich jederzeit möglich, wenn man entsprechend fährt und zusätzliche elektrische Verbraucher beteiligt sind. Dies nur mal als Anhaltspunkt für eine realistische Einschätzung der Möglichkeiten, die in diesem Auto ein 41kWh-Akku bietet.
Flux-Compensator onboard
Wenn man so will, mag man das Akku-Upgrade vor allem als Zeitmaschine betrachten. Zum Beispiel könnte mit der 22kWh-ZOE von 2014 eine Fahrt aus der City von Berlin nach Hannover von etwas weniger als 300km etwa so verlaufen:
Aus Berlin heraus zum Ladepunkt in Theeßen. Dort etwa 30 bis 40 Minuten Pause während des Ladens mit 43kW, die üblicherweise zum Essen, für E-Mails o. ä. genutzt werden.
Danach geht es weiter bis nach Braunschweig, wo an der TU immerhin ein 22kW-Ladepunkt vorhanden ist. Hier wird das Auto jedoch nur so weit nachgeladen, wie es für den Rest der Strecke nötig ist, also etwa ebenfalls eine halbe bis dreiviertel Stunde lang.
Insgesamt sind das also etwa eine bis anderthalb Stunden zum Laden und dreieinhalb Stunden Fahrt. So um die fünf Stunden muss man bei normaler Verkehrslage also für die Strecke rechnen, wenn man mit dem kleineren Akku unterwegs ist.
Mit dem großen Akku wäre die gesamte Strecke bei sparsamer Fahrweise sicherlich in einem Stück zu bewältigen. Da die Ladepausen komplett wegfallen könnten, dürfte man nur um die dreieinhalb Stunden benötigen. Das ist für diese Distanz schon ein angenehmer Zeitvorteil, wenn man keine Stopps machen möchte.
Allerdings gibt es seit dem 2015er ZOE Modell R240 einen Haken, der sich auch für das neue 2017er Modell R400 mit 41kW-Akku bei Distanzen über 300km auswirken kann: Die Ladetechnik ist wegen des neu entwickelten, etwas effizienteren Motors dieses Modells auf 22kW begrenzt. Das bedeutet, man hängt damit mindestens zwei Stunden am Kabel, bevor der leere Akku wieder voll geladen ist. Das kann gegenüber dem ersten Modell der ZOE – mit kleinem Akku (Q210) aber 43kW-Ladetechnik – auf bestimmten Distanzen die gesamte Fahrzeit sogar verlängern.
Auch Stephan Hilchenbach kommt in seinem Blog im Vergleich der zwei Fahrzeuge unter dem Titel Ladehemmung daher zu einem interessanten Ergebnis. Er lässt die zwei Modelle Q210 und R400 in einer fiktiven Wettfahrt über eine längere Strecke gegeneinander antreten. Die Schlussfolgerungen: Keine Auswirkung der größeren Akku-Kapazität im typischen Alltag, Verbesserung bei Fahrten zwischen 150 und 300km, ggf. sogar ein Nachteil bei längeren Distanzen, wenn das Auto zwar mit großem Akku, jedoch nur mit der 22kW-Ladetechnik ausgestattet ist.
Upgrades!
Glücklich kann sich demnach schätzen, wer die „alte“ ZOE besitzt und mit dem größeren Akku etwas anfangen kann. Renault hat nämlich angekündigt, dass für etwa €3.500 der kleinere 22kW Akku gegen den neuen mit 41kW ausgetauscht werden kann. Zusätzlich würde die monatliche Miete dafür um ca. €10 steigen.
Und auch das ist neu: Nun kann man sich auch für den Kauf des Akkus entscheiden, statt ihn zu mieten. Etwa €8.000 müssen dann allerdings zusätzlich auf den Tisch gelegt werden. (Alle Preisangaben ohne Gewähr!) Die Neuwagenpreise unterscheiden sich daher ab sofort bezüglich dieser Option.
Apropos Optionen: Wie man aus den Niederlanden und Österreich (?) hört, sind dort ZOEs in deutlich mehr Modellvarianten bestellbar. Dort kann man sowohl bezüglich der Akukapazität als auch der Ladeleistung sein Wunschauto zusammenstellen. Allerdings leuchtet es nicht so richtig ein, wieso das erstens in Deutschland nicht möglich ist und zweitens, weshalb man für nur rund €700 Ersparnis auf die höhere Ladeleistung verzichten soll. Allenfalls der beim neuen Motor etwas günstigere Stromverbrauch könnte dafür ein schwaches Argument sein, das sich in der Praxis aber quasi nicht auswirkt.
Was sich bei der ZOE im Innenraum, der Bordelektronik und den Preisen sonst noch so verändert hat, findet man zum Beispiel bei Renault oder bei der ZoePionierin.
Und wie geht es weiter?
Na, für Renault bestimmt erst mal gar nicht so schlecht. Nach sorgfältiger Geheimhaltung, mit schlauem Design und gutem Timing haben sie erreicht, dass mögliche Kunden nun ein konkretes Angebot für ein sofort verfügbares E-Auto haben, zum Einstiegspreis von unter €20.000 (inkl. Förderung), wenn man den Akku mieten möchte.
Die ZOE lässt sich inzwischen allein in Deutschland an rund 7000 Typ2-Schnellladeanschlüssen zügig aufladen und verfügt nun über eine Reichweite, die aktuell nur teure Teslas toppen können. Da haben die Franzosen vieles richtig gemacht, finde ich.
Dennoch sind Akku-Verbesserungen natürlich auch bei anderen Marken und Modellen angekündigt oder bereits umgesetzt: Der Leaf hat jetzt schon über 30kWh, eGolf und i3 kommen wohl zum Jahreswechsel mit ähnlichen Akkus heraus. Durch den günstigen Verbrauch dieser Fahrzeuge dürfte das auch für etwa 300km reichen. Tesla bietet seit kurzem sein Spitzenmodell sogar mit 100kWh an. Damit lässt sich natürlich recht flott und weit fahren.
Im Frühjahr wird wohl auch der Ampera-e auf den Markt kommen (Update: Stand April ist nun offiziell von Herbst 2017 die Rede), der mit einem 60kWh-Akku erhältlich sein wird, und vermutlich ein Jahr später Teslas Modell 3 mit gleicher Akku-Kapazität. Diese Fahrzeuge dürften eine neue Generation von E-Auto-Fahrern hervorbringen, denn mit ihnen werden Nutzungsprofile ähnlich derer von Autos mit Ottomotoren möglich.
Nur bei den neuen Smart ED-Modellen ist der Zuwachs bei der Akku-Kapazität eher sparsam ausgefallen. Immerhin dürften die rund 18kWh nun für etwa 150km am Stück reichen und können über einen Schnelllader mit vermutlich 22kW an den genannten fast 7000 Typ2-Ladeanschlüssen wieder aufgeladen werden. Es wird ab dem Frühjahr drei Modelle geben: Den Zweisitzer als Coupe und als Cabrio sowie den Viersitzer.
Es bleibt also spannend und es tut sich wie erwartet vor allem etwas bei der Reichweite der Fahrzeuge. Besonders interessant ist es aber, wenn auch Bestandskunden an der Weiterentwicklung teilhaben können und für ihr Fahrzeug ein akzeptables Upgradeangebot bekommen. Gut gemacht, Renault!
Nachträge Zum Thema
Wie bei GoingElectric Ende Oktober berichtet, hat sich Renault nun zur Schnellladung mit Gleichstrom geäußert. Zukünftige Modelle der ZOE (realistisch wohl ab 2020 erhältlich) werden demnach neben bis zu 22kW Wechselstrom auch mindestens 100kW Gleichstrom laden können. Dafür soll der CCS-Ladestandard zum Einsatz kommen, der den um zwei Gleichstromkontakte ergänzten Typ2-Stecker verwendet. Wenn sich dafür dann auch ältere Modelle der ZOE umrüsten lassen würden… (träum)!
Zwei interessante Berichte von ersten Testfahrten mit dem neuen Modell der ZOE findet man seit 10. Dezember 2016 bei der ZoePionierin Jana Höffner und von Guy Weemaes im GoingElectric-Forum.
Im Forum wird Ende Dezember 2016 ebenfalls auf französische Medien verwiesen, in denen Renault nun offiziell angekündigt hat, die ZOE ab 2019 mit dem Gleichstrom-Ladesystem CCS und „hoher Ladeleistung“ anzubieten.
Sollte das Fahrzeug tatsächlich weiterhin über mindestens 22kW Wechselstromladung verfügen, stellte das zusammen mit Tesla die flexibelste Lösung zum Laden von Elektroautos in Europa dar.
Das dürfte unter Umständen ein nicht zu unterschätzender Vorteil sein, denn aktuell ist für die Schnellladung eine sehr unattraktive Preisgestaltung festzustellen. Während man an preiswert zu erstellenden 22kW Wechseltrom-Ladesäulen nur etwa 30 Cent je Kilowattstunde zahlen muss, kommt man an den sogenannten TrippleChargern, die auch Gleichstromladung anbieten, wegen ihrer hohen Baukosten auf bis zu über einen Euro pro Kilowattstunde.
Denn der Ladevorgang wird dort nach Ladedauer abgerechnet und die hängt vor allem vom Betriebszustand des Akkus (warm, kalt, halbvoll oder leer usw.) ab. Da wird derzeit eine Fahrt mit dem Diesel plötzlich wieder richtig preiswert, was überhaupt nicht im Sinne der Elektromobilität ist und (hoffentlich) zu einem Wettbewerb beim Strompreis an Ladesäulen führen wird.
Eine wichtige Info fehlt noch. Der Unterschied zwischen dem R90 und dem Q90 ist nicht nur die höhere Ladegeschwindigkeit, sondern auch die höhere Effizinenz beim Q90. Auf der Österreichischen Renaultseite kann man das gut sehen:
Q90: 370 km NEFZ
R90: 403 km NEFZ
Das heisst die gute Ladeleistung wird mit einem schlechteren Motorwirkungsgrad erkauft. Wieso das so sein muss verstehe ich allerdings nicht.
Kann es auch sein, dass die maximale Rekuperationsleistung kleiner ist? Gibt es Erfahrungsberichte von ZOE Eigentümern?
Neben konstruktiven Unterschieden des Motors und der Leistungselektronik zur Verringerung des Verbrauchs hat das wohl auch strategische Gründe: 22kW AC-Anschlüsse sind halt in Deutschland am ehesten anzutreffen, höhere Reichweite das wichtigere Argument. Und bezüglich DC scheint CCS > 50kW ja nun auch bei zukünftigen ZOEs eine beschlossene Sache zu sein. Was schnellere AC-Ladung zumindest aus Sicht des Unternehmens nicht mehr sinnvoll erscheinen lässt.
Aber wieso genau die sparsamere Konstruktion keine höhere AC-Ladeleistung mehr erlaubt, wissen wohl nur Elektroingenieure… Ich habe es so verstanden, dass die Wicklung des Motors ein Teil der Ladeelektronik ist. Beim gegenüber dem Continental-Motor (Q-Modelle) der ersten ZOEs effizienteren Motor von Renault (R-Modelle) führt dessen Bauweise eben dazu, dass sich die Leistung beim Laden auf 22kW reduziert. Das ist im Alltag ja auch problemlos und ok. Ich habe tatsächlich im ersten Jahr einen 43kW-Ladeanschluss nicht einmal gesehen.
Rekuperation ist übrigens ein noch schwierigeres Thema, wie es scheint. Relativ voller Akku bei relativ niedriger Temperatur und schon rekuperiert da gar nichts mehr. Auch hier sind Vergleiche eher akademisch – und nur bei identischen Bedingungen hilfreich.
Was letztlich bleibt ist immer die Frage, wie lange man an der Säule warten muss bis der Akku wieder genug Ladung hat und ob man seine typischen Ziele vielleicht sogar ganz ohne Zwischenstopp erreichen kann. 10% mehr oder weniger Reichweite machen sich im Alltag tatsächlich nur in Ausnahmefällen wirklich bemerkbar.