Truck Surfin‘

Unterwegs auf der A2
Unterwegs auf der A2

Über die Landstraße als ZOEs bevorzugtes Geläuf habe ich schon häufig schwadroniert. Heute möchte ich aber anlässlich einer Fahrt zwischen Hannover und Berlin auch der Autobahn zu ihrem Recht verhelfen. Die A2 als dreispurige Variante dieser Art ist für die „Elektrische“ durchaus ein gutes Pflaster – vor allem, wenn man ein paar Tricks berücksichtigt.

Geschwindigkeit vs. Stromverbrauch

Das Ziel ist letztlich: Ankommen. Am besten natürlich schnell. Mit aktuellen Elektroautos heißt das aber, langsam fahren, so seltsam das auch klingt. Da man nicht so schrecklich viel Energie an Bord hat und weil das Auftanken relativ lange dauert, muss man eben mit den verfügbaren Mitteln sinnvoll haushalten. Zusätzlich ist es ein Problem, dass die „Tankstellen“ nicht unbedingt da stehen, wo man sie braucht, wenn die Akkuladung sich dem Ende nähert.

Bisher habe ich daher die Autobahn gemieden, wenn es ging. Es macht schließlich keinen Spaß, als Verkehrshindernis unterwegs zu sein. Fährt man jedoch schneller, verringert sich die Reichweite erheblich. Die Folge sind mehr Ladestopps und das Ergebnis insgesamt eine längere Fahrzeit, obwohl man mit höherer Geschwindigkeit unterwegs war. Auf der Landstraße ergibt sich eine verbrauchsgünstige Fahrweise schon durch die erlaubten üblichen Höchstgeschwindigkeiten von 50, 70, 80 und 100 km/h. Es gilt also vor allem auf der Autobahn, für sein Elektroauto ein optimales Verhältnis aus Fahrgeschwindigkeit und der Anzahl von Ladestopps zu finden.

Die perfekte Welle

Eine Möglichkeit ist, sich zum Beispiel hinter einen Reisebus zu hängen, die meistens mit Tacho 110 unterwegs sind. Oft ist aber gerade kein Bus zur Hand, wenn man einen braucht. Und auf Dauer kann diese Geschwindigkeit auch zu hoch sein, vor allem, wenn einige Steigungen zu überwinden sind. Besser geeignet sind da LKW als Reisegesellschaft. Sie sind oft in kleinen Konvois unterwegs, und in ihrer Nähe fährt es sich gar nicht mal so schlecht:

Diesel & Elektro - in Symbiose unterwegs
Diesel & Elektro in Symbiose

Hat man einen LKW vor sich, der mit Tacho 90 fährt, braucht man meistens nicht lange zu warten. Entweder überholt er seinen Vordermann oder wird von einem etwas schnelleren anderen LKW überholt.

Da nun die mittlere Spur ohnehin belegt ist, weichen die meisten anderen Fahrzeuge auf die linke Überholspur aus. Kein Problem also, ohne großen Energieeinsatz hinter dem Brummi den Überholvorgang mitzumachen. Niemand drängelt einen dabei, da der Große nun mal seine Zeit zum Überholen braucht.

Um nicht zu schnell zu werden, überholen LKW ja oft an Steigungen. Das bietet einem die Möglichkeit, auf dem meist anschließenden Gefälle den eigenen Schwung zu nutzen und etwas zügiger auch den LKW zu überholen, in dessen Heckwelle man gerade gesurft ist, und gegebenenfalls weitere Fahrzeuge, die mit ihm nun eine Kolonne bilden. Auf diese Weise kommt man ohne Behinderung anderer schnellerer Fahrzeuge ganz gut voran. Und dennoch bleibt der Stromverbrauch in einem angemessenen Rahmen, wie man bald an der steigenden Reichweite erkennen kann. Die Langeweile einer Autobahnfahrt mit konstanter Geschwindigkeit stellt sich so auch nicht ein, da man das „Truck Surfing“ mit der Zeit als eine Art spielerischer Herausforderung empfindet.

Zwischenziele, Reserven und Überraschungen

Ich habe jedenfalls auf dieser Fahrt von rund 300km auf diese Weise einen dritten Ladestopp vermeiden können und kam mit zwei Pausen aus. In Hannover hatte ich während der Nacht mit dem NRGKick an der Schukosteckdose den Akku voll geladen und diesmal die erste Etappe mit einer Länge von rund 90km geplant. Bei der zweiten Teilstrecke waren dann etwas mehr als 130km zurückzulegen und danach noch die restliche Fahrt von rund 80km. Mit völlig leerem Akku an der Ladesäule einzutreffen, ist dabei natürlich nicht sinnvoll, immerhin muss man auch einmal mit einer Umleitung oder anderen Ursachen für höheren Stromverbrauch rechnen. Daher plane ich in der Regel etwa 20 bis 30km Reserve ein – oder anders gesagt etwa 15 bis 20% Akkukapazität am Ende der Strecke.

Energie für wirklich alle Fahrzeuge: ARAL Schöppenstedt
Energie für wirklich alle Fahrzeuge: ARAL Schöppenstedt (Leider nun nicht mehr…)

Dafür hatte ich für diese Fahrt eine mir bisher unbekannte Ladesäule auf einer ARAL-Station in Schöppenstedt als erstes Zwischenziel ins Navi getippt. (Update: Im Mai 2017 existiert die Lademöglichkeit nicht mehr.) Bis kurz hinter Braunschweig konnte ich somit zügig auf der A2 fahren und war positiv überrascht, als ich die Abfahrt nahm: Die wunderschöne Herbstlandschaft des Harzvorlandes mit Elm und Asse war durch die Schallschutzbauten der Autobahn völlig verborgen gewesen. Nun führte die Strecke auf hervorragenden Fahrbahnen durch ein wirklich zauberhaftes Hügelland. Ja, da ist sie wieder, die Freude an der Landstraße. Auf ihr zu Fahren ermöglicht es einfach immer, auch die Umgebung intensiv wahrzunehmen und genießen zu können.

Die nächste Überraschung erwartete mich auf der ARAL-Station, die sich mit ihren freundlichen Mitarbeitern und dem sympathischen Chef nicht als einfache Füllstation, sondern als ein sehr gut gestaltetes Servicecenter präsentierte. Natürlich war ich eigentlich nur zum Laden dort, habe aber auch noch ein interessanten Gespräch mit dem Eigentümer Jochen Schreiber führen können.

Keine Eugenspiegelei

Vorbildliche Lösung: Schnellladen mit 20 bzw. 22kW für Alle
Vorbildliche Lösung: Schnellladen mit 20 bzw. 22kW für Alle

Er und die anderen beteiligten Projektpartner haben sich meines Erachtens sehr ernsthaft und vorbildlich mit dem Thema Elektromobilität beschäftigt.

Zum einen existiert hier in Schöppenstedt ein Angebot zum Schnellladen aller aktuell verfügbaren Elektroautos sämtlicher Hersteller. Sowohl Gleichstrom mit 20kW Leistung als auch Wechselstrom mit bis zu 22kW können der kompakten Ladesäule entnommen werden.

Diese wurde federführend von der TU Clausthal projektiert und aus Fördermitteln beschafft. Selten ist Forschung so effektiv, wie in diesem Fall, denn sowohl der Standort der Säule als auch die Ladeleistung nutzen den Fahrern unmittelbar. So wird die Elektromobilität mit dem Fokus auf existierende Fahrzeugmodelle bestmöglich gefördert und gleichzeitig die Bedürfnisse der Standortbetreiber berücksichtigt.

Ein Geschäft ist damit jedoch noch lange nicht zu machen. In 2015 waren an der Ladesäule gerade mal etwas über 80 Ladevorgänge zu verzeichnen. Bezieht man das allerdings auf die wenigen zugelassenen Elektroautos erscheint mir das nicht ungewöhnlich. Die aktuelle Generation der Fahrzeuge stellt eben für die meisten Autokäufer eine offenbar noch unvollkommene Lösung dar, wenngleich die Besitzer solcher Fahrzeuge das aus der eigenen Erfahrung ganz anders beurteilen. Zu sehr ist der Fokus der Kritiker auf Fahrten gerichtet, die über die einfache Reichweite der Fahrzeuge hinaus gehen. Diese finden in der Regel jedoch so selten statt, dass sich der Nachteil geringer Reichweite über das Jahr gesehen kaum auswirkt und die vielen Vorteile überwiegen.

Die nächste Generation Autos wird jedoch größere Akkus haben und damit auch die Reichweite für längere Fahrten bieten. Damit kommt jedoch spätestens dann ein neues Problem auf Jochen Schreiber zu: Die Anschlussleistung des Stromanschlusses der Tankstelle reicht derzeit für eine höhere Ladeleistung nicht aus und müsste erweitert werden. Rund €10.000 soll allein das Kabel von der Straße zum Hausanschluss kosten. Aber auch hier fehlt zielführende politische Unterstützung und öffentliche Förderung, die derartige Investitionen erleichtern. Denn noch lohnt sich das Experiment für den Tankstellenbetreiber nicht wirklich. Den Strom bietet er derzeit ohne Bezahlung an und die in der „Ladeweile“ von maximal einer Stunde im Bistro getätigten Umsätze decken selten die Kosten. Selbst wenn ein durchschnittlicher Tankvorgang mit Benzin oder Diesel ihm auch nur einen Gewinn von lediglich 40 bis 60 Cent (!) ermöglicht, müssten schon eine Menge Elektroautos hier vorbeikommen, um den Aufwand für ihn rentabel zu machen.

Ein Projekt mit praktischem Nutzen
Ein Projekt mit praktischem Nutzen

Die Kosten des Stroms von im Durchschnitt €4 pro Ladevorgang haben dabei noch den geringsten Anteil. Jedoch würde eine Amortisation der Investitionen für Ladesäulen und für die genannte Erweiterung des Hausanschlusses lange dauern. Bis es genügend ladende Kunden gibt, die während der Wartezeit essen, trinken und einkaufen, wären Subventionen daher äußerst sinnvoll.

Nichts tun, ist jedoch auch keine Lösung, wenn Märkte und Anforderungen sich ändern. Und so hat sich nicht nur die TU Clausthal von der ehemals auf Bergbau und Hüttenwesen spezialisierten Bergakademie unter anderem zum Energie-Forschungszentrum Niedersachsen gewandelt. Dort forscht man seit einigen Jahren intensiv auch im Bereich Elektromobilität und hat mehrere Standorte mit den vielseitigen und kompakten Ladesäulen ausgestattet.

Auch die Besitzer von Tankstellen sind auf einem guten Weg, wenn sie nicht allein auf die Politik warten, sondern sich für ihre Unternehmen Gedanken im Hinblick auf zukünftige Energieträger in der Mobilität machen. Ob nun Wasserstoff für Brennstoffzellen oder die Elektrolyte für Flusszellenakkus einmal ihr Geschäftszweck sein werden, mit Akkus ausgestattete Fahrzeuge, die Strom tanken, werden auf jeden Fall einen nicht unbeträchtlichen Anteil am Straßenverkehr haben. Immerhin sind die Investitionen für diesbezügliche Ladetechnik durch das vorhandene Stromnetz relativ gering, vergleicht man sie mit den Kosten für eine Wasserstofftanksäule von etwa einer Million Euro, ganz zu schweigen von Aufbereitungsanlagen für die Elektrolyte von Flusszellenakkus, sollten sie jemals marktreif werden.

Wellenreiten

Nach einer Stunde ist mein Akku voll, der leckere Milchkaffee getrunken (Herzlichen Dank noch einmal dafür!) und alle Rückrufe erledigt. Weiter geht’s. Von Schöppenstedt aus muss ich erst einmal bis Helmstedt auf der Landstraße fahren, bevor ich wieder auf die A2 komme. Dabei geht es zu Beginn ziemlich bergauf, was die geplanten 130km zunächst sehr unwahrscheinlich erscheinen lässt. Doch schon bald sorgt die Rekuperation beim Bergabfahren wieder für eine kräftige Zunahme der Akkuladung und damit der Reichweite. Auf der Autobahn vergeht die Zeit dann beim Trucksurfen wie im Flug und schon bei Magdeburg stellt sich das sichere Gefühl ein, die Ladesäule bei Wollin bequem erreichen zu können.

Letzte Tankstelle vor der Stadtgrenze
Letzte Tankstelle vor der Stadtgrenze

Die zweite und diesmal letzte Ladepause klappt ebenfalls vorzüglich und wird für das Mittagessen genutzt. Meine Fahrzeit liegt damit inklusive aller Pausen bei unter 6 Stunden. Das entspricht nun auch auf dieser Strecke meinen Erfahrungen aus dem Sommer:

Mit der ZOE lässt sich bei halbwegs günstiger Lage der Lademöglichkeiten auf Langstrecken bequem eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 50km/h erreichen.

Schneller kann es nur dann werden, wenn die Lademöglichkeiten dichter aufeinander folgen und die noch schnellere Ladung mit 43kW bieten.

Resüme für 2015

Zwar ist es erst Anfang November, aber man kann für 2015 schon einmal ein vorläufiges Fazit formulieren:

Privatwirtschaft, Kommunen und einige öffentliche Einrichtungen haben mit ihren Projekten und Aktionen die Lademöglichkeiten erheblich verbessert. Allerdings bleibt die Umgebung von Berlin die mit Abstand am schlechtesten versorgte Gegend, durch die ich bisher gefahren bin. Eindeutige, zielgerichtete und praxisnahe Förderung der Elektromobilität durch die Bundesregierung ist nicht zu erkennen. Viel Geld wird stattdessen in prestigeträchtigen Inszenierungen verbrannt, statt damit einfach flächendeckend Schnellladetechnik zu installieren. Dies würde die Verwendbarkeit und auch die Akzeptanz der aktuell verfügbaren Fahrzeuge jedoch unmittelbar verbessern.

Mehr als 16.000km bin ich nun mit der ZOE unterwegs gewesen, allein etwa 9000km in den vergangenen 10 Monaten. Inklusive aller Grundgebühren usw. werde ich bis zum Ende des Jahres Stromkosten von rund €580 gehabt haben. Das entspricht also etwa €5,80 je 100km oder genau 4L Superbenzin beim Durchschnittspreis in 2015 von rund €1,45 je Liter.

Es gab keinen einzigen Defekt. Auch gelegentliche Ladestörungen waren kurzfristig zu beheben und führten nicht zu Problemen. In allen diesen Fällen waren defekte Säulen oder Stromquellen die Ursache, nicht das Auto oder dessen Ladetechnik. Die Anschaffung des NRGKick Ladekabels hat die eigenen Lademöglichkeiten an 230V-Anschlüssen bis hin zur Schnellladung an Standard-Drehstromanschlüssen noch einmal erheblich erweitert.

Ich habe auch in diesem Jahr mit dem Elektroauto alle meine Fahrten und Aufgaben uneingeschränkt erledigen können, viel Spaß beim Fahren gehabt und bin weiterhin von dem Konzept der ZOE überzeugt.

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