Ach ja, manchmal denkt man, es hakt. Da setzt sich unser allseits beliebter, gelb schwarzer Automobilclub mit dem Heidelberger Institut für Energie und Umweltforschung zusammen, um erstmals „die umfassende CO2-Bilanz aller Antriebsarten“ zu erstellen und was kommt dabei heraus? Diesel SUVs sind umweltfreundlicher als Elektroautos und Verbrennungsmotoren sollten gefördert werden.
Wer es nicht glaubt, liest bitte nach
Auf Seite 20 der motorwelt-Ausgabe 04/2018 findet man:
„Bei den großen Autos zeigt der Diesel … die mit Abstand beste CO2-Bilanz.“
Und auf derselben Seite weiter unten sogar im Fettdruck:
„Nicht gut fürs Klima: Elektroauto als … Stadtfahrzeug.“
Der Artikel kommt auf Seite 22 zu dem Schluss:
„… Förderinstrumente wie der aktuelle Umweltbonus nur für Elektro- und Plug-in-Fahrzeuge … nicht zielführend.“
Endlich wissen wir Bescheid. Nicht die Verbrennung von fossilen Energieträgern wie Öl und Kohle verschmutzt die Luft in unseren Städten und hat die weltweite Klimadiskussion überhaupt erst ausgelöst, sondern der Bau, Betrieb und die Förderung von Elektroautos ist der Grund allen Übels. Schließlich hat
„… bei stärker motorisierten Fahrzeugen der Diesel klimatisch klar die Nase vorn.“
Und wer will schon schwächer motorisierte Fahrzeuge? Also was bitte soll der Elektromotor im Auto??? Wenn wir die Umwelt retten wollen, brauchen wir mehr Diesel!
Fakten und Fakes
Nun lassen sich Tatsachen natürlich immer aus verschiedenen Richtungen betrachten. Die Realität kann auf die eine und auf eine andere Weise erscheinen. Und selbstverständlich darf man unterschiedlicher Meinung sein und dies auch drucken.
Es ist ebenfalls möglich, Fakten so darzustellen und mit Schlussfolgerungen zu ergänzen, dass ein bestimmter Anschein entsteht, der die Tatsachen verzerrt und einen falschen Eindruck hinterlässt. Es lässt sich nicht beweisen, dass dies im vorliegenden Artikel des ADAC beabsichtigt ist. Allerdings berät das für die Daten und Auswertungen hinzugezogene IFEU Institut zum Beispiel auch die Deutsche Shell AG und die Volkswagen AG (Quelle: Wikipedia). Und da mag der Schelm denken, was er will – auch böses.
20 Millionen ADAC Mitglieder (Stand Dezember 2017) über die kostenlose Clubzeitung mit der wissenschaftlich belegten Information zu versorgen, dass Elektroautos erst einmal nicht die Lösung sondern das Problem sind, ist schon ein starkes Stück. Man könnte es auch Manipulation oder Verdummung nennen. Wenn man eine Absicht unterstellt. Aber sicherlich geht es hier nur um die neutrale journalistische Darstellung des Themas CO2 für uns Autofahrer.
Jedoch: Wenn der Verbrennungsmotor „noch ein großes Potenzial“ hätte, gäbe es dann die Drohung mit Fahrverboten? Hätten dann Autohersteller ihre Kunden betrügen müssen, um wenigstens die aktuell geltenden Grenzwerte zu „erfüllen“, geschweige denn die zukünftigen?
Zwischen den Zeilen lesen
Richtig ist selbstverständlich, dass Strom aus Braunkohle, sagen wir mal, ein kleines Bisschen mehr CO2 in der Atmosphäre bewirkt, als zum Beispiel solcher, der aus dem Generator einer Windkraftanlage stammt. Der aktuelle Strommix ist allerdings ebenfalls das Resultat der politischen Bevorzugung einer bestimmten Branche und nicht naturgegeben.
Übrigens braucht es nach einer Berechnung des Magazins elektro auto mobil (Ausgabe 01/2018) genau 10 Umdrehungen einer einzigen modernen Windkraftanlage um ein Tesla Modell S 100D von ganz leer auf ganz voll aufzuladen. Bei einer Renault ZOE ZE40 sind es etwas weniger als vier Umdrehungen. Damit kommt man mit beiden Fahrzeugen etwa 350km weit.
Nun wird allerdings tatsächlich in Deutschland ein Viertel des Stroms aus Braunkohle gewonnen. Böse Elektroautos!
Und ebenso korrekt ist die Feststellung, dass der Bau von Metall-Karosserien für alle Autos dieselbe Energie erforderlich macht, egal, ob sie ein Elektromotor oder ein Verbrennungsmotor antreibt. Tatsächlich kommt beim Elektroauto noch der große Akku hinzu, der zur Herstellung offenbar viel Energie benötigt. Bäh, pfui!
Allerdings steht noch überhaupt nicht fest, wie lange der für ein Elektroauto hergestellte Akku denn überhaupt genutzt werden wird. Mit der Verschrottung des Autos wird er jedenfalls nicht weggeworfen, denn er ist viel zu wertvoll für den Müll. Das „zweite Leben“ der Akkuzellen in Anwendungen wie stationären Pufferspeichern für Ladesäulen, für Photovoltaik oder ähnliche unregelmäßige Stromquellen ist sehr wahrscheinlich. Dies umso mehr, wenn erst einmal millionen Elektrofahrzeuge existieren und Hunderttausende von ihnen jährlich ersetzt werden müssen.
Auch ein Elektromotor kann ohne weiteres 100 Jahre alt werden, wenn die wenigen Verschleißteile wie zum Beispiel die Lager ersetzt wurden. Es ist also anzunehmen, dass in einer zukünftigen Welt der Elektromotor aus einem alten Auto weitere Lebenszyklen haben wird und die für seine Herstellung aufgewendete Energie mehrfachen Nutzen findet.
Dies sind allerdings keine Fakten sondern Annahmen. Vermutungen. Sie sind spekulativ. Aktuell nicht real. Aber sehr wahrscheinlich und vernünftig.
Trau keiner Statistik…
Der Artikel des ADAC „Prima fürs Klima?“ ist durchaus geeignet, sich eine eigene Meinung zu bilden. Wenn man keine begleitendenden Informationen hat, macht er es aber schwierig, die Wahrheit hinter den Zahlen zu erkennen. Wie immer die für jeden aussehen mag. Die im Artikel getroffenen Schlussfolgerungen sind jedenfalls nicht die einzigen, die man aus der Lage der Fakten lesen kann.
Die Interpretation der grafischen Darstellungen auf Seite 20 könnte also auch so aussehen:
Die Herstellung eines Elektroautos – egal welcher Fahrzeugklasse – benötigt erheblich weniger Energie, als allein der Betrieb eines Autos mit Verbrennungsmotor erfordert. Das Fahren mit dem Elektroauto ist nach seiner Herstellung nicht mehr belastend für die Umwelt, da der Strom dafür aus erneuerbaren Quellen stammen kann. Je länger man ein Elektroauto fährt, desto besser ist die Ökobilanz. Ganz im Gegensatz zum fossilen Antrieb, dessen Emmissionen für immer und ewig in die Umwelt gelangen.
Ein (anderes) Fazit
Die Zeiten des Verbrennungsmotors sind vorbei, wenn wir das Ziel haben, die Umwelt von den Folgen des Straßenverkehrs zu entlasten. Die Zukunft gehört dem Elektromotor. Wir sollten unsere Industrie und unsere Gesellschaft so schnell wie möglich darauf einstellen, denn noch haben wir die fossilen Ressourcen, die wir für den Wechsel der Technologie vielleicht brauchen werden.
Das wäre vernünftig. Und was beinahe noch besser ist: Ein Elektromotor fährt sich einfach auch supergeil!