Ist ja nicht neu, dass mich regelmäßig das Reisefieber packt. Und ebenso berichte ich von Fall zu Fall darüber. Diesmal ist aber vieles anders. Die ZOE ist zwar beteiligt, transportiert mich aber lediglich an den Ausgangspunkt meiner kleinen Tour mit dem eBike. Eigentlich wollte ich für den Hinweg die viel gepriesenen öffentlichen Verkehrsmittel nutzen. Aber man muss ja unbedingt jetzt an den Gleisen bauen… Auf Stress bei der An- und Abreise habe ich aber überhaupt keinen Bock.
So gibt es ausgerechnet auf meiner Strecke (mit Dieseltriebwagen!) auch noch Ersatzverkehr mit dem Bus (ebenfalls Diesel)! Ob das Rad dann mitgenommen wird „entscheidet der Transportführer nach Sachlage“. Na toll. Wenn man sich auf dieses Verkehrsmittel nicht verlassen kann, dann eben nicht, liebe Tante. Es geht auch anders. Individuell. Daher jene Idee: Bekomme ich das E-Bike vielleicht in die ZOE? Dann könnte man sich damit selbst und sogar elektrisch an den Ausgangsort seiner Tour befördern.
Kurz gesagt: Ja, es klappt tatsächlich wie man sieht. Mit abgenommenem Vorderrad, umgeklappter Rückbank und vorgeschobenem Beifahrersitz passt das Rad knapp aber bequem hinein. Statt einer geraden Route mit Rücktransport per Zug, plane ich nun eine Rundtour, die mich am Schluss wieder zurück zur ZOE bringt.
Also die Taschen gepackt, das Fahrrad und das Gepäck verstaut, Akkus geladen und morgen früh geht es los.
Durch die Stadt und über Land
Es ist alles dabei: Erst lotst mich das Navi durch Berlin Mitte und über die B96a und die B2 zur Autobahn A11 am Stadtrand. Über den Stadtring hätte es wohl länger gedauert, also lasse ich mir die Zuckelei durch die Stadt und die Vororte gefallen. Auf der Autobahn geht es dann natürlich flotter voran. Der Stromverbrauch spielt ja heute keine Rolle, denn mit dem großen Akku kann ich die rund 90 Kilometer bis Angermünde und zurück auch mit „Vollstrom“ fahren.
So wird auch das letzte Stück Landstraße zum besonderen Vergnügen. Auf einem ausgezeichneten Straßenbelag surrt die ZOE durch eine Kurve nach der anderen. Mit dem niedrigen Schwerpunkt und der flotten Beschleunigung ein echter Spaß. Schließlich kommt Angermünde in Sicht und der Parkplatz am Oberwall ist auch schnell gefunden.
Klasse! Direkt neben den zwei reservierten Parkplätzen für ladende E-Autos wird ein weiterer Stellplatz frei. Dort kann die ZOE die nächsten Tage stehen und jetzt noch kurz laden, während ich das Fahrrad für die Fahrt fertig mache. Als ich das Kabel nach 20 Minuten abstöpsel, sind schon wieder fast 90% SOC erreicht.
„Guck mal Mama. Ein Elektroauto. Bekommen wir später auch so eins?“ fragt ein vorbeigehendes Mädchen seine Mutter. „Ich hasse Elektroautos.“ antwortet diese. Na, ja. Ist ja ein freies Land. Und offenbar denkt man in Angermünde tendenziell auch anders darüber. Immerhin steht auf dem geräumigen Parkplatz an der Stadtmauer eine von zwei nagelneuen 22kW-Ladesäulen des Ortes. Zusätzlich gibt es mehrere Stellplätze für Wohnmobile, sogar mit 230V-Anschluss. Und einer der gekennzeichneten Radwege Brandenburgs führt genau hier durch. Da hat man offensichtlich darüber nachgedacht, wie man Gästen etwas bieten kann und sie in den Ort holt.
Oder? Oder! Oder etwa nicht?
Ich verlasse jetzt aber erst mal die Stadt und freue mich nach ein paar Metern durch ruhige Seitenstraßen auf die rund 30km nach Schwedt, die jetzt vor mir liegen. Die am Vortag mit dem sehr schönen kleinen Tool RouteConverter auf der OpenCycleMap geplottete und auf mein eBike-Connect-Profil hochgeladenen Route zeigt mir nun im Nyon-Display an, dass ich gegen halb zwei dort ankommen sollte.
Hört sich übrigens komplizierter an, als es ist: Man sieht im RouteConverter auf dem PC die für das Radfahren optimierte Karte und klickt einfach alle paar hundert Meter auf die gewünschte Fahrtstrecke. Dabei kann man sich gut am Radwegenetz und seinen Knotenpunkten orientieren. Zum Schluss speichert man das Ganze als „Track“ (Spur) im PC ab.
Dann meldet man sich einfach via Firefox an seinem Profil bei eBike Connect an, einer Website vom Hersteller Bosch, die mit dem Nyon-Gerät des eBikes gekoppelt ist. Dort kann man im Menüpunkt Routenplanung den gerade erstellten Track hochladen und – schwups – erscheint dieser als gespeicherte Route im Display des Nyons. Fertig!
Diese kleine Planungsarbeit zahlt sich nun sehr aus, denn mitunter sind die Beschilderungen an Weggabelungen leicht zu übersehen und die blaue Linie auf dem Display hilft enorm bei der Orientierung. Zudem hat man die verbleibende Strecke und die Ankunftszeit immer im Blick, was ebenfalls total entspannt. Man kann die Umgebung genießen, Tiere beobachten, auch mal trödeln und sieht dennoch immer, wo es weiter geht und welche Zeit noch bis zum Etappenziel vergeht.
Zunächst führt mich das Nyon nun über teilweise etwas holperige Plattenwege durch Getreidefelder und Waldstücke nach Osten, bis ich nach etwa einer Stunde den Oderdeich erreiche, auf dem es dann nördlicher weitergeht. Der Asphaltstreifen auf der Deichkrone ist glatt wie ein Babypopo und macht das Fahren zum Genuss. Rechts vom Deich erstreckt sich das Überflutungsgebiet der Alten Oder und links begleitet die Hohensaaten-Friedrichsthaler-Wasserstraße die Strecke bis nach Schwedt.
Nach der Mittagspause im Zentrum von Schwedt beginnt es leicht zu nieseln und auf dem Rückweg kommt der frische Wind nun direkt von vorn. Das tut der Freude jedoch keinen Abbruch, denn der wundeschöne Ausblick und die gute frische Luft gleichen das aus. Den Wind zaubert der Motor mit einem Klick weg und hält die eigene Muskelleistung im angenehmen Bereich von um die 100 Watt. Das ist das Schöne am eBike: Man kann halt selbst bestimmen, wie sportlich man fahren möche, steiles Gelände flacher und Gegenwind schwächer machen, wenn man es will.
Ich habe nun noch etwas über 30km und zwei Stunden radeln vor mir und ich wähle die Einstellung „Tour“. Später kann ich im eBike-Connect-Profil sehen, dass der Motor auf dieser Etappe etwa 58% der Leistung erbracht hat und meine Muskulatur die übrigen 42%. Ich habe gespürt, dass ich etwas leiste, aber das Ganze blieb in einem sehr angenehmen Rahmen.
Zum Schluss verlasse ich den Oderdeich wieder und es geht ganz schön bergauf in die Endmoräne des letzten Eiszeitgletschers. Hier kommt auch hin und wieder die Einstellung „Sport“ zum Einsatz und ich lasse den Motor stärker mithelfen. Um halb sechs ist das Ziel erreicht, eine Stunde später steht mein Zelt am Parsteinsee und ich nehme darin ein erfrischendes Bad.
Natur und Technik
Der nächste Tag beginnt mit weniger Wind aber gelegentlich mit leichtem Nieselregen. Das wird aber von den herrlichen Eindrücken wettgemacht, die die Oder und ihre Auen hinterlassen. Eine halbe Stunde geht es auf dem Deichweg entlang und ich genieße den Anblick sehr. Dann zweigt ein breiter Wasserweg vom Fluss ab, der Oder-Havel-Kanal, dem ich nun Richtung Westen folge.
Bei Oderberg verzweigt sich der Weg in einen längeren durch die Spitze des Oderbruchs und einem kürzeren auf der nördlichen Seite des Kanals. Leider entscheide ich mich mit dem kürzeren auch für den falschen, wie mir klar wird, als ich eine längere Zeit nun auf der Landstraße verbringe. Schließlich kommt ein imposantes Bauwerk in Sicht.
Nein, eigentlich sind es zwei: Das alte Schiffhebewerk Niederfinow und sein noch im Bau befindlicher Kollege. Die Motorkraft von vier ZOEs bewegt 8.600 Tonnen Stahl, Wasser und Beton über 36m nach oben und unten. Nicht nur der beeindruckende Hebevorgang lässt mich dort länger verweilen. Es ist auch der „ergiebige Landregen“, der inzwischen eingesetzt hat, und obwohl tausende Tonnen Wasser über mir sind, bleibe ich unter der Flussbrücke doch trocken.
Aber da hilft es wohl nichts: Die Regenhose muss ans Bein. Mit dem Wetter verschlechtert sich auch die Wegstrecke etwas und führt nun auch mal über eine bestimmt zweihundert Jahre alte Kopfsteinpflasterstraße durch den Wald. Aber meistens sind diese Abschnitte nicht sehr lang und der Fahrbahnbelag verbessert sich anschließend wieder. Auch der Regen ist erst einmal vorbei.
Am Nachmittag erreiche ich dann plangemäß den Werbellinsee, dessen Südspitze ich noch umrunden muss, bis ich am Campingplatz ankomme und mein Zelt für die Nacht aufbauen kann. Auch hier lädt der See zum Bade und wird ausgiebig von mir genutzt.
Kurz danach entscheiden sich auch die Wolken mit wieder einsetzendem Regen für meine weitere Erfrischung zu sorgen. So bleibt das bis zum späten Abend und die Nacht wird kühl. Da lohnt es sich doch wieder einmal, wenn man ordentlich ausgerüstet auf Tour geht: Das Zelt und auch der Schlafsack halten verlässlich das Wasser draußen und die Wärme drinnen, so dass ich eine geruhsame Nacht verbringe.
Zurück durch die Schorfheide
Auch der Sonntagmorgen ist recht kühl. Aber nachdem das leider noch ziemlich feuchte Zelt und die übrigen Utensilien eingepackt und am eBike befestigt sind, werde ich auf dem sehr schönen Radweg wieder warm. Nicht ganz 40km sind es bis zum Ende meiner Fahrt in Angermünde.
Die Beschaffenheit der Wege zwischen den Knotenpunkten ist allerdings recht unterschiedlich. Vom erstklassig asphaltierten Radweg abseits der Straße, über Schotterpisten, Betonplatten aus der Vorkriegszeit, neu verlegten Verbundstein oder vor Jahrzehnten überteertes Kopfsteinpflaster geht die Route. In jedem Fall aber ist die Landschaft und der Ausblick die Reise wert.
Am Ende der Fahrt bin ich mehr als zufrieden. Natürlich hätte das Wetter besser, die Wege glatter, das Angebot für Speis und Trank an der Strecke reichhaltiger sein können. Es gab jedoch Regen, mächtig holperige Streckenabschnitte und eher keine netten Lokalitäten mit leckerem Frühstück. Dafür aber funktionierte die gute Ausrüstung und hielt mich angemessen trocken, nach den Buckelpisten empfand man schöne Passagen als noch viel reizvoller und ein kleiner Imbiss konnte in der richtigen Situation wie ein Festmahl schmecken.
Die Planung der Wegstrecke hat sich auf jeden Fall gelohnt. Manche Abschnitte des teilweise sehr mäßig beschilderten Wegenetzes wirkten so, als hätte man sich verfahren. Gut, dann zu wissen, wo es zum nächsten Knotenpunkt weitergeht. Dort konnte man sich jeweils zusätzlich auf der Übersichtskarte orientieren und seinen Weg nach Lust und Laune auch mal etwas verändern.
Nachdem ich das eBike und mein Gepäck wieder verladen habe, dauert die Rückfahrt mit der ZOE von Angermünde nach Berlin dann nur etwas über eine Stunde. Nach dieser guten Erfahrung mit der Kombination aus E-Auto und eBike steht weiteren Fahrten dieser Art nichts im Wege. Wahrscheinlich werde ich mich daher im Herbst mit einem Freund im Altmühltal treffen, der dann dort Urlaub macht, und mit ihm ein Wochenende lang Ausflüge mit dem eBike unternehmen. Dort hinzukommen, ist ja nun kein Problem mehr, wo sich die ZOE auch als eBike-Transporter bewährt hat.
Da freue ich mich schon drauf! Aber die Oder hat mich auch nicht zum letzten Mal gesehen. Ich könnte mir gut vorstellen, mal von Berlin aus bis zur Mündung an der Ostsee zu fahren. Dafür brauchte man dann natürlich ein paar Tage mehr Zeit und auch der Rücktransport mit der Bahn sollte nicht von Gleisbau und fehlenden Lokführern beeinträchtigt sein. Unwahrscheinlich? Na, ja, man darf ja mal träumen…
Traumhaft schön ist die Landschaft um die Oder herum allemal. Und ich kann jedem nur empfehlen, sie einmal zu besuchen. Am besten mit einem Fahrrad, denn damit kommt man an die schönsten, leisesten und natürlichsten Plätze. Und das, obwohl die Großstadt nur ein paar Autominuten entfernt ist. Man muss es nur machen. Vielleicht sieht man sich ja…